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Erleuchtung, Standardvariante

Mischa Kuballs „Bauhaus-Block“ in Essen und Michel Verjux' „Eclairages“ in Münster  ■ Von Thomas Fechner-Smarsly

Wer heutzutage noch mit dem guten alten Dia-Projektor hantiert, um Kunst herzustellen, der hat entweder ein didaktisches Anliegen oder den technologischen Anschluß verpaßt. Und wer sich dabei obendrein mit dem Bauhaus beschäftigt, hat vermutlich beides.

Mischa Kuball jedenfalls darf seinen „Bauhaus-Block“ noch einige Tage in Essen installieren, ehe dieser nach Heidelberg weiterwandert. Die Besichtigung der insgesamt zwölf Werkstücke lohnt sich. Wir beginnen, wie es sich für die Bauhaus-Pädagogik gehört, mit dem „Vorkurs/Experiment (1990)“: Ein gewöhnlicher Holzstuhl (Büroqualität), auf dessen Sitzfläche ein Karussell-Projektor selbsttätig Bilder schiebt. Als Projektionswand dient das nämliche Stuhlmodell, diesmal liegend. Dessen Beine ragen aus einem ebenfalls liegenden Pappkarton. In diesen Karton hinein – und auf die Sitzunterfläche – projiziert der Apparat seine Bilder, einfache geometrische Grundformen: Kreis, Dreieck, Quadrat, Rechteck, Parallelogramm.

Die geometrische Schablone und das alltägliche Sitzmöbel erläutern symbolisch den Standard einer Sehweise. Sie denken freilich mit, daß das Bauhaus längst selbst zum Symbol geworden ist, wenn auch zu einem durchaus ambivalenten. Formulierte es doch eine Sozialutopie, die sich an den Bedürfnissen auszurichten versprach, und eine Ästhetik, die sich die ebenso kunstvolle wie massenhafte Gestaltung des Lebens vornahm. Und das Bauhaus behauptete eine antikapitalistische Attitüde, die zum Gegenteil beitrug: Durch die Rationalisierung und Standardisierung der Architektur, wie sie Walter Gropius gefordert hatte, erfüllte man bald deren allgemeine Produktionsbedingungen aufs allerbeste.

Mit diesem symbolischen „Block“ setzt sich Kuball ohne jede Polemik, aber mit einem Schimmer Ironie auseinander: Seine Leuchtschablonen sind ganz und gar keine Denkschablonen.

Lernstufe zwo: „Appartment (1991/93)“. Vier gewöhnliche weiße Türen wurden – auf Sichthöhe, aber querliegend – an je einer Wand befestigt. Von vier Haushaltsleitern aus werfen Projektoren Bilder einiger Innenräume (Treppenhaus, Küche, Arbeitsplatz, Bad) auf jene Türen. Die Bilder lappen über, brechen sich an der Wand. Zwischendurch tauchen immer wieder Licht-Ecke und -Kreise auf, sozusagen als geometrische Geistesblitze.

Kuballs Arbeiten sind simpel und komplex zugleich. Sie bewegen sich zwischen Lernapparatur und Lichtskulptur. (Es gibt ein paar recht banale Arbeiten darunter wie zum Beispiel die hängenden und rauhfaserbeklebten Tapeziertische, Modell „Erfurt52, 1992/93“.) Sie fragen letztlich „nach der ästhetischen Erziehung der Nachkriegsgeneration, zu denen auch Mischa Kuball gehört, in Kindergärten und Schulen beispielsweise, nach Design und Baugedanken des Wiederaufbaus“ (Johannes Stahl im Katalog).

Erste Station der Auseinandersetzung mit dem Bauhaus war übrigens der gleichnamige Gebäudekomplex in Dessau. Dort verteilten sich die Arbeiten über das gesamte Terrain, im Treppenhaus, in der Cafeteria, sogar die Außenwände wurden als Projektionsfläche einbezogen. Sie verfremdeten die Architektur und kennzeichneten sie durch ihre Eingriffe. Eine adaptive Ausstellung, heißt es dazu im Katalog. Was man sich darunter vorzustellen hat? Nun, daß sich die Projektoren vermutlich ohne großen Aufwand in jene Aktenschränke des „Vorkurses/ Resopal (1992/93)“ verfrachten lassen, um an anderer Stelle andere Zusammenhänge zu beleuchten.

Von der Pädagogik zur Philosophie, von der künstlerischen Beleuchtung zur künstlichen Erleuchtung. Auch Michel Verjux benutzte in seinen ersten Werken das Licht von Dia-Projektoren in dunklen Räumen, ehe er zur Arbeit mit Profilscheinwerfern überging. Seine Formensprache reduzierte er auf ein Minimum: Lichtkreise und -quadrate „beleuchten“ die Besonderheiten eines gegebenen Raumes. Im Münsteraner Kunstverein werden die Segmente einer stufenförmig gestaffelten Wand abwechselnd angestrahlt bzw. leergelassen. Derartige Rhythmisierungen von Räumen sind ein Aspekt im Werk Verjux', ein anderer die Arbeit mit Abschnitten, Halbkreisen und Überlagerungen, ebenfalls mit Hilfe von Scheinwerfern erzeugt.

Michel Verjux' Schlaglichter sollen die Räume öffnen und damit den „Akt des Sehens“ (Hanne Zech) deutlich machen. Solcherlei Erhellung gerät jedoch manchmal zur dunklen Beschwörung des Sublimen, was der Katalog wortreich unterstützt: „Ihr Eigentliches ist das Licht, das Licht in seiner sich selbst meinenden Erscheinung“ (Heinz Liesbrock).

Was dazu wohl das Lichtlein meint?! Wir wissen es nicht, empfehlen aber ein durchaus kritisches Heimleuchten. – Manche der Arbeiten Verjux' wirken klar und konstrastreich, andere ebenso matt wie prätentiös. Ihre vorgebliche Autonomomie bleibt jedoch der pure Schein, denn letztlich ist dieser Minimalismus vom räumlichen Kontext abhängig. Und dieser erzeugt bisweilen eben nur eine Niedrigspannung.

Mischa Kuball: „Bauhaus-Block“. Folkwang Museum Essen; noch bis 16. Mai, danach im Kunstverein Heidelberg; Katalog: 38 DM

Michel Verjux: „Eclairages“. Westfälischer Kunstverein Münster, bis zum 31.Mai; vom 17.September bis zum 21.November im Neuen Museum Weserburg Bremen; Katalog (Ausgewählte Werke aus den Jahren 1983-1993): 48 DM

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