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Übersetzerin-Preis

Schreibende Frauen sind Gegenstand schreibender Frauen, seit die Frauenbewegung schreibt, und niemand kann das besser als sie. Grazia Livis Essayband „Die Buchstaben meines Namens“ gehört in dieses Genre, dessen Achsen Simone de Beauvoir und Elizabeth Hardwick bilden: die eine durch argumentative Strenge, die andere durch poetische Einfühlung. Beauvoir arbeitet sich ab, Hardwick konkurriert, Simone ruft zu, Elizabeth atmet mit; Grazia Livi macht beides. Ihre Portraits (stärker am Leben als am Werk orientiert, was ihre erzählerische Konstruktion betrifft) sind mimetisch und vermitteln dennoch den Anspruch, die Poetologie der Vorgestellten auch intellektuell zu durchdringen. Sie verzichten angenehmerweise auf die Darlegung interdisziplinärer Skrupel, sondern folgen mit Selbstbewußtsein der gemischten Methode, die sich auf Leben und Werk gleichermaßen beruft und Verknüpfungen herstellt, wie es gerade kommt: kein philologisch sauberes Verfahren, aber dem Vorhaben Livis hilfreich und sicher im Ergebnis für epistomologische Versäumnisse entschädigend.

Das heißt: entschädigend nur dann, wenn die vorgestellte Dichterin der Leserin bis dato weitestgehend unbekannt war – was unwahrscheinlich ist, wenn es um Anne Frank, Virginia Woolf und Ingeborg Bachmann geht. Es mag für die Italienerinnen (in deren Land Grazia Livi als erste Frau für dieses Buch den Premio Viareggio für Essayistik erhielt) sehr aufschlußreich sein, durch Monks House zu spazieren und auf der Dachterasse in Rom zu sitzen, im Amsterdamer Verschlag die Klaustrophobie zu erleben und im Pariser Hotelzimmer die Welt der Mandarine mitzuerleben – obwohl ich mir kaum vorstellen kann, daß die Editionslage, was Woolf, Bachmann, Frank und Beauvoir betrifft, so kläglich ist. Aber warum wir – wenn auch sehr schön erzählt – von Virginia Woolfs Gang ins Wasser und Ingeborg Bachmanns brennendem Bett, von Anne Franks Deportation und Simone de Beauvoirs Ehrgeiz noch einmal unterrichtet werden müssen, will mir nicht so recht einleuchten – zumal Livi zu keiner dieser Autorinnen eine These entwickelt, die über das Bekannte, Gesagte und Geschriebene hinausgeht. – So ist Livi dann auch am interessantesten, wenn sie – wie mit Anna Banti und Carla Lonzi – in Deutschland kaum bekannte Autorinnen vorstellt oder sich – in einer wunderbar respektvoll-ironischen Annäherung – mit Gertrude Stein als einer Autorin beschäftigt, deren intellektuelle Architektur zwischen kreativer Egomanie und gewitzter Überzeugung schwankt. Am Schluß des Buches stellt allerdings das Portrait der Mutter Theresa, die in ihrer Jugend auch Gedichte schrieb, einen schwer erträglichen Absturz ins Himmelreich dar, der allenfalls im mariologisch gesättigten Italien hinnehmbar sein mag, für die deutsche Ausgabe aber wohl verzichtbar gewesen wäre – zu Nutz und Frommen der Autorin.

Nicht genug gerühmt werden aber kann neben der Sprache Grazia Livis, die mimetisch und selbstbewußt ist, das Können der Übersetzerin Maja Pflug: Jeder Satz ist schön und eindringlich zugleich, sowohl die Oberfläche des Textes (der Rhythmus und Sound der Sätze, ihre Ebenmäßigkeit) als auch seine strenge Logik (die Präzision des Vokabulars, die zum Teil überraschende Härte einzelner Wendungen, die souveräne Handhabung von Ironie und Sentiment).

Einen Essaypreis würde ich, wenn ich's denn könnte, Signora Livi nicht unbedingt verleihen, einen Übersetzerpreis Frau Pflug jedoch mit Freuden.

Grazia Livi: „Die Buchstaben meines Namens“. Portraits von Simone de Beauvoir, Anne Frank, Gianna Manzini, Virginia Woolf, Gertrude Stein, Anna Banti, Ingeborg Bachmann, Colette, Carla Lonzi, Agnes Bojaxhiu. Aus dem Italienischen von Maja Pflug, Antje Kunstmann Verlag, 388 Seiten, gebunden, 44 DM

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