piwik no script img

Balladurs Kehrtwende

■ Arbeitsbeschaffung auf Kredit statt Sparkurs in Frankreich

Berlin (taz) – Mit einer Mammut-Staatsanleihe in Höhe von 40 Milliarden Francs (über 12 Milliarden DM) will die französische Regierung die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Der konservative Premierminister Edouard Balladur nimmt damit den ersten Kurswechsel in seiner Wirtschaftspolitik vor: Statt des vor knapp drei Wochen angekündigten strengen Sparkurses zur Bekämpfung des Haushaltsdefizits soll nun eine Konjunkturankurbelung auf Kredit stattfinden. Die Neuverschuldung von bisher 135 Milliarden Mark wird so weiter erhöht. Der Ruf nach einer kräftigen staatlichen Intervention war lauter geworden, da die wirtschaftlichen Aussichten in Frankreich immer düsterer werden: Zu den drei Millionen Arbeitslosen sollen dieses Jahr noch weitere 350.000 hinzukommen, das Bruttoinlandsprodukt wird um 1 Prozent schrumpfen, nachdem Balladur zunächst nur von 0,4 Prozent ausgegangen war.

Daß die konservative Regierung jetzt doch von ihrem rigiden Sparkurs abrückt, dürfte mit Befürchtungen zusammenhängen, daß die Steuererhöhungen, zunächst auf Benzin und Alkohol, die Nachfrage und damit die Konjunktur noch weiter abwürgen. Wenn aber die Nachfrage fehlt, werden Unternehmer keine neuen Arbeitsplätze schaffen, auch wenn die von ihnen zu zahlenden Lohnnebenkosten etwas vermindert wurden. Hier will der Staat mit den 40 Milliarden Francs einspringen, um damit sowohl die Arbeitslosigkeit in Schach zu halten, als auch um der Wirtschaft ein Zeichen zu geben.

Nach Informationen der Regierung sei die Geldaufnahme des Staates durch die Anleihe allerdings nur vorübergehend: Wenn im Herbst die Privatisierung von Staatsbetrieben anläuft, sollen die Anleihen gegen Anteilsscheine an den Staatsunternehmen eingetauscht werden können. Gestern kündigte die Regierung denn auch an, daß 21 Staatsunternehmen in private Hände übergehen sollen. Darunter sind vor allem die großen Banken und Versicherungsgesellschaften wie Crédit Lyonnais und BNP, aber auch Renault, Air France und das Tabakmonopolunternehmen Seita. lieb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen