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Nachschlag

■ „Falterfrau“ im Theater zum westlichen Stadthirschen

Die Falterfrau. Ein schillerndes Phantasiewesen, leicht, schillernd, zerbrechlich? Eine Frau, die sich aus dem gesponnenen Kokon der Puppe befreit hat, um als leuchtender Schmetterling zu entschweben? Den Falter in den Titel des Stückes zu schreiben, ihn auf Plakate zu drucken, heißt, ihn zum Programm zu machen. Maria Sibylla Merians liebstes Studientier und Modell ihrer Kupferstiche als Metapher eines wechselvollen Lebens. Doch an diesem Abend wachsen ihr keine Flügel, die Entwicklung zur Leichtigkeit des Falters findet nicht statt, sie bleibt, was sie hier von Anfang an war: ein erdenschwerer Engerling.

Sibylla Merian, 1647 als Tochter eines Kupferstechers in Frankfurt geboren, war nicht nur eine der ersten Naturforscherinnen, sondern auch Künstlerin. In ihren Büchern mit handkolorierten Kupferstichen verbindet sie die Bewunderung für die Schönheit der Natur mit der exakten Darstellung von Zusammenhängen und Entwicklungen in Tier- und Pflanzenwelt.

Das Theater zum westlichen Stadthirschen zeigt Szenen aus ihrer Biographie. Die kleine, brave Sibylla an, unter, neben dem Schreibtisch, ein Strebermädchen, besessen von ihren Tierchen. Die verliebte Sibylla, ein wenig hölzern, immer noch hauptsächlich Falter im Kopf. Später auf weiter Fahrt, einen grasgrünen Sonnenschirm haltend, fröhlich mit dem Kapitän plaudernd – inzwischen ist sie 52 und auf dem Weg in den Dschungel. Und immer noch das Naivchen vom Anfang.

Die Männer, die ihr begegnen, ob Ehegatte, Kapitän oder Plantagenbesitzer: immer wieder derselbe Typ des Softie-Machos, der – wir müssen zugeben, ihn da zu verstehen – mit dieser raupenaufspießenden Klosterschülerin nichts anfangen kann. Dominik Bender spielt diese Männer mit dem herrlich gelangweilten Charme des Vorstadtgigolos – doch welche Rollen er im Leben dieser Frau spielt, bleibt im dunkeln. Witzige Einfälle, treffend gespielte Karikaturen würzen die Inszenierung von Ingrid Fink und Elisabeth Zündel. Ein Holzkrokodil rattert über die Bühne, die Negersklavin schwingt ihre Hüften, Amor schießt Pfeile in Sibyllas Forscherinnenherz. Hübsch sind diese Gags, doch für die Entwicklung der Figur ohne Bedeutung. Die Inszenierung kann sich zwischen Slapstick, Satyrspiel und Drama des begabten Kindes einfach nicht entscheiden. Uta von Arnim

Weitere Vorstellungen: 28.–30.5., 21 Uhr, Kreuzbergstr. 37

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