: Reizend umworbenes Kinn
■ Gegen "Rasurbrand" hilft nach Meinung der Kosmetikindustrie nur ein After-shave / Doch ÖKO-TEST fand jede Menge hautreizende Chemikalien in den Rasierwässern
Reizend umworbenes Kinn Gegen »Rasurbrand« hilft nach Meinung der Kosmetikindustrie nur ein After-shave / Doch ÖKO-TEST fand jede Menge hautreizende Chemikalien in den Rasierwässern
Mit markigen Werbesprüchen gehen die Kosmetikmischer den Männern um den Bart. „Rasurbrand“, raunen sie dramatisch; um das Brennen nach der Rasur zu besänftigen, brauche Mann unbedingt ein After-shave. Doch die meisten teuren Rasierwässerchen sind alles andere als hautfreundlich. Sie enthalten reizende Konservierungsstoffe und allergisierende Farbstoffe, fand das ÖKO-TEST- Magazin in einer Untersuchung in der Juni-Ausgabe heraus.
Rasieren ist eine hautnahe Angelegenheit. 60 Prozent der deutschen Männer benutzen einen elektrischen Rasierapparat, 40 Prozent entfernen ihr Barthaar noch mit Rasierseife und Messer. Vor allem beim Rasieren mit der Klinge wird eine dünne Schicht der Oberhaut mit abgeschabt. Außerdem sorgt die Rasierseife nicht nur dafür, daß das Barthaar aufquillt. Sie entfernt auch die Talgschicht auf der Haut. Kein Wunder also, wenn Mann auf diese Strapaze gereizt reagiert.
Von diesem sogenannten Stinging — Juckreiz, Prickeln und Rötung der Haut nach der Rasur — sollen zwei Drittel der jungen Männer zwischen 18 und 34 Jahren betroffen sein, wie eine Umfrage ergab. Schuld an den Hautirritationen sind neben schmutzigem Rasierzeug und stumpfen Klingen auch viele After-shaves. Diese Produkte sind nicht gleichzusetzen mit dem traditionellen Rasierwasser, das 40 bis 80 Prozent Alkohol und eine geringe Menge Menthol enthält.
Das klassische Rasierwasser wird nur noch selten auf Kinn und Wangen verteilt. Statt dessen benutzen die meisten deutschen Männer sogenannte After-shave-Lotionen oder -Balms. Sie enthalten deutlich weniger Alkohol, dafür aber viel Wasser und Parfüm. Einige Hersteller mischen auch pflegende und hautglättende Substanzen wie Panthenol oder Hamamelis in ihre Produkte.
Das ÖKO-TEST-Magazin fand jetzt bei einer Untersuchung von 30 der am häufigsten verwendeten After-shaves heraus, daß die angeblich so hilfreichen Mittel außerdem hautreizende Chemikalien wie das krebsverdächtige Formaldehyd oder den allergisierenden Farbstoff Tartrazin enthalten. Dieses Ergebnis ist besonders bedenklich, weil die Verletzungsgefahr beim Rasieren groß ist. Die aggressiven Stoffe können also sehr leicht in die Haut und dann ins Blut eindringen.
Das Frankfurter Verbrauchermagazin stellte zudem fest, daß die meisten After-shaves gar keine pflegenden Substanzen enthalten. Sie sind also lediglich reine Herrenparfüms. Die Hersteller haben gute Gründe, ihre Duftwässerchen als Rasiermittel zu tarnen: Die Branche kann Männerparfüms nur schlecht verkaufen. Nach einer Umfrage glauben immerhin 31 Prozent der bundesdeutschen Männer, „zu einem richtigen Mann paßt kein Parfüm“. Dagegen sind die Herren eher bereit, Rasierwässer zu kaufen. „Das liegt vielleicht daran“, vermutete ein Hersteller, „daß After-shave einfach männlicher klingt als Eau de Parfüm.“
Das ÖKO-TEST-Magazin rät allen Männern, die auf den Duft nach der Rasur nicht verzichten möchten, besser gleich ein Parfüm zu benutzen. Das wird in der Regel sparsamer dosiert als ein After-shave. Um die strapazierte Haut zu pfle-
1gen, reicht dazu eine einfache Hautcreme. Die enthält keinen Alkohol, der selbst unter den Duft- Herstellern umstritten ist. Denn der Sprit trocknet die Haut aus.
Die duftende Industrie hat insbesondere für sensible Typen After-shaves ohne Alkohol zu bieten. Diese sind empfehlenswerter als die mit Sprit. Regine Cejka
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