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■ DokumentationDalai Lama: Tibet gehört den Tibetern!

Angesichts der unnachgiebigen Haltung Pekings sei es sinnlos, mit den Chinesen über Unabhängigkeit zu verhandeln, hat der Dalai Lama Mitte Mai in London erklärt. Anfang dieser Woche kam es in Tibet zu den massivsten Unruhen seit 1989. Hunderte demonstrierten in Lhasa für die Freilassung verhafteter Dissidenten, die Unabhängigkeit von China und die Rückkehr ihres religösen Führers, der seit 1959 im indischen Exil lebt. Die taz veröffentlicht Auszüge aus einem Kommentar des Dalai Lama, den er für die Nachrichtenagentur ips in Dharamsala nach den jüngsten Protesten schrieb:

(...) Ich glaube, daß jetzt die Chinesen an der Reihe sind, einen wirklich sinnvollen Vorschlag zu unterbreiten, wie China und Tibet in Frieden leben könnten. Zur Zeit allerdings setzen die Chinesen die gnadenlose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen Tibets fort. (...)

Jede Region, in der substantielle Bodenschätze gefunden werden, wird für alle Tibeter, einschließlich der Behörden, abgesperrt, manchmal sogar auch für chinesische Zivilisten. Hinzu kommt die Abholzung der Wälder und die Vertreibung der Bevölkerung. Die Zahl der Han- Chinesen in Tibet wächst von Monat zu Monat. (...)

Griffe man im Ringen um den Erhalt der nationalen Identität Tibets zum Mittel der Gewalt – was sicherlich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nach sich zöge – würde dies das Leid vergrößern, mehr Probleme aufwerfen und noch mehr Opfer fordern. (...)

Wie schon in der Vergangenheit sind Tibets Beziehungen zu China, seinem östlichen Nachbar, von großer Wichtigkeit und werden dies auch bleiben, wenn wir frei sind. Deshalb wird unser nationaler Kampf, den wir mit Vernunft, Respekt und Freundlichkeit weiterführen, ein aufrichtiges Ende finden. Auch wenn wir vielleicht nicht alles erreichen, was wir erhoffen. Aber solange wir von einem feindlichen Nachbarn umgeben sind, macht ein Unabhängigkeitsvertrag keinen Sinn. (...)

Denn auch China braucht den Wandel, und seine Bevölkerung hat dies erkannt. Die Mehrheit der Chinesen, besonders die Gebildeten und Intellektuellen, haben den Glauben an den Kommunismus und ein Regime, das keine Regierung des Volkes mehr ist, verloren. (...)

Tibet gehört den Tibetern, besonders denen, die im Land geblieben sind. Deshalb sollen bei der künftigen Gründung eines demokratischen Tibets ganz generell diejenigen die politische Hauptverantwortung in einem solchen System tragen, die in der Heimat geblieben sind. (...)

Ich habe öffentlich erklärt, daß ich in einem freien Tibet kein Regierungsamt übernehmen werde. Diese Entscheidung habe ich getroffen, um die Entwicklung einer gesunden Demokratie zu erleichtern. (...)

Ich bin voller Zuversicht, daß sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren die Dinge zum Besseren wenden und sich die Hoffnungen des tibetischen Volks endlich erfüllen werden. ips

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