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“Dann kann ich ja auch gehen“

■ Vor der Senatsentscheidung zur Hemelinger Marsch: Ampelverdruß und Großkoalitionäre

Wenn heute der Senat zusammenkommt, dann steht es Spitz auf Knopf: Hält die Ampel oder hält sie nicht? Die Frage stand seit Unterzeichnung des Koalitionsvertrages schon einige Male auf der Tagesordnung, aber mittlerweile deutet vieles darauf hin, daß es diesmal ernst wird. Hinter den Kulissen wird schon an anderen Regierungsbündnissen gebastelt, und innerhalb der Koalition gibt es kaum noch jemanden, der die Ampel verteidigt. Die Bremer Regierung trudelt.

Vor einigen Wochen noch hatte es so ausgesehen, als sei der Dauerstreit um die Gewerbeansiedlungen in der Hemelinger Marsch auf die kommende Legislaturperiode vertagt und damit vom Tisch. Doch jetzt ist der Konflikt noch einmal über die formale Frage der Vetofähigkeit hochgekocht.

Doch unter dem dünnen Firnis der inhaltlichen Fragen geht es schon viel mehr um die Organisation des Bruches. Als eine der treibenden Kräfte dabei gilt der Wirtschaftsstaatsrat Frank Haller. Der hatte schon beim Bockbieranstich von Becks vor großem Publikum verkündet: „Es muß krachen.“ Bei der Konferenz der Staatsräte am lezten Freitag verfolgte Haller ein klares „Alles oder nichts“: Die Hemelinger Marsch müsse sofort zum Gewerbegebiet erklärt werden. „Das ging schon gar nicht mehr um die Sache“, berichten übereinstimmend BeobachterInnen.

Daß es jetzt zu einem Rechtsgutachten aus der Senatskanzlei gekommen sei, das die Hemelinger Marsch für nicht vetofähig erklärt und damit den Grünen den Boden unter den Füßen wegzieht, das, so BeobachterInnen aus verschiedenen Lagern, sei alles andere als ein Zufall. Auch Andreas Fuchs, dem Chef der Senatskanzlei, werden Ambitionen in Richtung großer Koalition nachgesagt. Die, so die Spekulation, habe für die SPD vor allem zwei Vorteile: Erstens könne sie sich bei einer schwachen CDU besser profilieren als in der Ampel, und zweitens könnten dann die ChristdemokratInnen das Sparregiment übernehmen und die SPD das soziale Gewissen spielen.

Innerhalb der Koalition gibt es kaum noch jemanden, der bereit wäre, für das Bündnis zu kämpfen. Bei den beiden kleineren Koalitionspartnern scheint es niemanden zu geben, der den Konflikt um die Marsch auf dem Verhandlungswege klären könnte. „Jäger und Fücks haben sich da so verbissen, die können nicht mehr zurück“, heißt es ampelintern. Und mindestens die Hälfte der Grünen-Fraktion ist der langen und zähen Verhandlungen mittlerweile überdrüssig.

Noch größere Probleme haben allerdings die SozialdemokratInnen. Bei der SPD herrsche die blanke Hoffnungslosigkeit, erzählt ein Fraktionär. „Alle warten auf schicksalshafte Wendungen. Einige haben sogar darauf gehofft, daß beim Untersuchungsausschuß doch etwas herauskommt.“ Lieber heute als morgen würde die übergroße Mehrheit der SPD- Fraktion die Koalition verlassen.Klaus Wedemeiers Stärke sei allein seine Konkurrenzlosigkeit. Und der Fraktionschef Claus Dittbrenner habe sich aus dem Koalitionsmanagement weitgehend zurückgezogen. Bei der letzten Sitzung des Koalitionsausschusses ist es noch einmal um das Asylschiff gegangen. Da allerdings haben die längste Zeit die Sozialdemokra-tInnen unter- und gegeneinander diskutiert, so scharf, daß Klaus Wedemeier schon resignieren wollte: „Dann kann ich ja auch gehen.“

Spätestens zum „Halbzeitparteitag“ im September wird ein großer Bruch erwartet. Dann nämlich, da sind sich rechter und linker Flügel der SPD einig, sollen SenatorInnen ausgewechselt werden. Die gelten ohnehn als Schuldige an der sozialdemokratischen Misere. Bei einer kleinen Rundfrage unter SozialdemokratInnen werden fast alle SPD-SenatorInnen als potentielle Opfer einer Senatsumbildung genannt. Nur bei der Nachrückerfrage setzt das große Schulterzucken ein. „Die guten Leute, die mal was machen wollten, die haben sich alle zurückgezogen“, sagt eine Sozialdemokratin. Warten auf die nächste Umfrage: Sollte das Ergebnis so katastrophal werden, wie erwartet, „dann ist alles drin“. Jochen Grabler

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