: Rassismus in Norderstedt
■ Zwei junge Neonazis stehen wegen ausländerfeindlicher Anschläge vor Gericht
Unter Ausschluß der Öffentlichkeit fand gestern vor dem Jugendgericht Norderstedt der Prozeß gegen die beiden Mitglieder der rechtsradikalen Deutschen Volksunion (DVU), Michael Hüfner und Daniel Steinbiß, statt. „Eine öffentliche Verhandlung führt zu einer Stigmatisierung der 18 und 19 Jahre alten Männer“, befand Richter Deecke. Die Zuschauer verließen den Gerichtssaal nur unter Protest. Sie bezeichneten die Angeklagten als „militante, ideologisch gefestigte Neonazis, die bei Anschlägen eindeutig den Tod ihrer Opfer in Kauf genommen hätten“.
Anfang 1992 kommt es im Norderstedter Cordt-Buck-Weg zu zahlreichen rassistischen Anschlägen. Vor Häusern ausländischer Familien werden bis zu zwei Meter hohe Holzkreuze mit Ku Klux Klan- Parolen aufgestellt und angezündet. Auf eine afghanische Familie wird ein Brandanschlag verübt. Eine Bushaltestelle trägt über Nacht die Aufschrift: „Mischehe ist Völkermord.“ Zwei Monate leben die Anwohner in Angst und Schrecken. Dann wurden vier Verdächtige verhaftet, zwei Ermittlungsverfahren jedoch eingestellt.
Vor dem Gerichtssaal sitzt nun die betroffene Öffentlichkeit und wartet auf das Urteil. Auch dabei: Elisabeth N. Der 39jährigen und ihrem Mann George galt ein Brandsatz, der irrtümlich bei den deutschen Nachbarn landete. Die erhielten auch noch einen Telefonanruf, wurden als „Negersau“ bezeichnet. Familie N. befürchtete über Wochen eine „Korrektur des Fehlers“ durch die Neonazis. Wenn ihnen nicht Freunde beigestanden hätten, so erinnert sich N. heute, wären sie wohl zurück nach Hamburg gezogen. „Unsere Tochter träumt noch jetzt davon, daß ihre Meerschweinchen verbrennen.“ Die Täter haben sich später bei der deutschen Familie für ihr „Versehen“ entschuldigt.
Gestern standen sie nicht etwa wegen Volksverhetzung, Brandstiftung oder Mordversuch vor Gericht. Angeklagt waren: versuchte Brandstiftung, Nötigung und Beleidigung. „Das läßt eher auf ungezogene Jugendliche schließen als auf Neonazis“, so die Antifa. Das Urteil: Zwei Jahre auf Bewährung. Die Angeklagten konnten nur unter Polizeischutz das Gericht verlassen Torsten Schubert
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