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Unabgesprochen funktionierende Kohllaboration

■ betr.: "Trauer in Köln. Kohl in Bonn", Kommentar und Meinung, taz vom 3.4.6.93

betr.: „Trauer in Köln. Kohl in Bonn“, Kommentar und Meinung, taz vom 3./4.6.93

Deutschland sei ein „offenes, gastfreies und fremdenfreundliches Land“ hat Kanzler Kohl nach dem fünffachen Mord in Solingen gesagt. Niemand weiß wohl, was er mit dem Wort „gastfrei“ meint. Wollte er der Weltöffentlichkeit mitteilen, daß alle Gäste hier frei und unbehelligt sich aufhalten können, also nicht „vogelfrei“ sind? Hat er sich in einer Freudschen Fehlleistung versprochen und ist zu schlußfolgern, der Kanzler träume von einem gästefreien Land, wie die Nazis von einem „ausländerfreien“ Hoyerswerda reden? Oder wollte Kohl einmal sprachkreativ einen Begriff in neue Zusammenhänge stellen, wie er auch den „Staatsnotstand“ als Gegenmaßnahme zur Einreise von Flüchtlingen ausrufen wollte?

Die „geistig-moralische Wende“ des Jahres 1982 enthielt zwei Versprechen an die deutsch- nationale Wählerklientel der Unionsparteien. 1. Reduzierung des Ausländeranteils. 2. Befreiung der Deutschen von der Last ihrer historischen Verantwortung für die Verbrechen des Faschismus. Das erste Versprechen führte schnell zum Rückkehrförderungsgesetz für türkische Arbeiter und gipfelte erst kürzlich in der de facto-Abschaffung des Asylrechtes. Das zweite Versprechen äußerst sich in zahllosen Peinlichkeiten und Provokationen. Kohl und Reagan beim Staatsbesuch an SS-Gräbern, KZ-Besuche des Bundeskanzlers im hellblauen Sommeranzug, die Mär von der „Gnade der späten Geburt“.

Zu welchen Gewalttaten die Rückkehrforderung an Ausländer, die in Wahrheit Einwanderer sind, gepaart mit dumpfen Nationalgefühl, das keine Verantwortung kennt, führen kann, müssen wir seit bald zwei Jahren in Deutschland erleben. Es ist hier eine direkte Zusammenarbeit zwischen patriotischen Biedermännern und nazionalen Brandstiftern nicht zu beweisen. Der Eindruck eines stillen Einverständnisses zwischen beiden Gruppen, demzufolge die Ausländer raus und Deutschland deutsch werden müßten, führt aber zum Verdacht eines beidseitig tolerierten Zusammenwirkens beider Kräfte.

Die Abwesenheit des Kanzlers bei der Trauerfeier für die Opfer der Morde in Solingen ist ein weiterer Fall dieser auch unabgesprochen funktionierenden Kohllaboration. Aufgrund seiner Abwesenheit bleibt der Kanzler auch als Identitikationsfigur für die Deutsch-Nationalen akzeptabel, die nicht im entferntesten daran denken, Scham und Trauer über die Morde zu empfinden.

[...] An einen Wandel durch Einsicht oder gar an einen freiwilligen Machtverzicht durch Rücktritt ist bei Kohl überhaupt nicht zu denken, weil sein Vorgehen Methode hat. Gegen die täglichen Zumutungen des Kanzlers hilft deshalb nur eins: Eine breite politische Initiative zum Sturz dieser Regierung! Paul Paulsen, Berlin

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