: SPD für „Primat der Ökonomie“
■ SPD-Sprecher will Politik-Wende gegen „gründurchwirkte Strickstrümpfe“
Die Wirtschaftspolitiker der SPD wollen „zu einer Abweichung von bisher eingenommenen Positionen“ kommen. So umständlich steht es in einem „Positionspapier“, in dem der neue wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Detmar Leo, seine Ziele formuliert. Leo ist davon überzeugt, daß sich Bremen die Rücksichtnahme auf ökologische oder Anwohner-Bedenken immer weniger leisten kann: „Neue Wachstumsimpulse“ müssen „unter allen Umständen prioritär bleiben“.
Die düsteren aktuellen Daten zur wirtschaftlichen Lage haben den SPD-Politiker alarmiert: Bremen bildet wieder bundesweit das Schlußlicht in der Statistik des Wirtschaftswachstums. „Der Lichtblick aus dem Jahre 1990/91 ist inzwischen wieder erheblich verloren gegangen.... Bremen hat nicht annähernd die Wachstumsverluste aus den 80er Jahren aufholen können.“ Detmar Leo folgert mit der Handelskammer oder dem Finanzsenator: „Für die Sanierung der Staatsfinanzen darf die ökonomische Rationalität nicht gebremst werden.“
Da es keine detaillierte Analyse darüber gibt, welche Ursachen der strukturellen Wirtschaftsschwäche Bremens zugrunde liegen, gibt Leos Positionspapier auch nur die bekannten globalen Antworten: Bremen muß Straßen bauen und Gewerbeflächen zur Verfügung stellen. „Zu Lasten von Gewerbe- und Verkehrsflächen gehende Lösungen darf es zukünftig nicht mehr geben“, schreibt Leo. Wirtschaftsverkehre haben absolute Priorität: „Ein Konzept, das einseitig auf Verkehrsentlastung der Wohnbereiche abstellt, kann den Anforderungen der Zukunft nicht gerecht werden.“
Den SPD-Parteitagsbeschluß gegen die sofortige Gewerbe-Erschließung der Hemelinger Marsch, in dem die Gewerbeflächen-Zahlen des grünen Stadtentwicklungsressorts bestätigt werden und nur nach zwei Jahren eine „Überprüfung“ gefordert wird, interpretiert Leo „in der Kontinuität der früheren Beschlüsse der SPD“ um: die Gewerbeflächenplanung in der Marsch müsse sofort weitergehen. Altlastenbeseitigung als „Standortfaktor“ findet Leo unterstützenswert, soweit sich da ein „zukunftsträchtiger Markt“ eröffnet. Wenn aber vergiftete Industrieflächen nicht so billig für neue Industrieansiedlung zu sanieren sind wie eine grüne Wiese, dann spricht das bei Leo für die billige Wiese: 82 Millionen kosten die vom grünen Stadtentwicklungsressort vorrangig anvisierten Gewerbeflächenprojekte, nur 44 die des Wirtschaftsressorts. „Das Altlastenrisiko bei den Schwerpunktprojekten des Wirtschaftsressorts ist null“, freut sich Leo. Und weil es vielleicht noch nicht verstanden wurde, unterstreicht er: Die Hemelinger Marsch „ist nicht kontaminiert und relativ schnell beplanbar und zu erschließen“.
Der SPD-Sprecher hat offenbar bemerkt, daß seine Argumentation eine grundsätzliche Frage aufwirft: Bricht die Bremer SPD unter dem Primat des Sanierungsprogramms mit dem Konzept der „ökologischen Modernisierung“, das eine Grundlage für die Koalition mit den Grünen ist? Darf der bremische Staat noch dem quantitativen Wachstumsdenken der Unternehmen eine „produktivere Ressourcennutzung“ aufzwingen im Namen einer „übergeordneten Gesamtverantwortung“? Leo lehnt die wirtschaftspolitische Grundsatzdebatte der „ökologischen Traumtänzer mit gründurchwirkten Strickstrümpfen“ ab. „Praktische Wirtschaftspolitik kann mit diesen... Fundamentalpositionen nicht gemacht werden.“ Und dann definiert Leo den „schillernden Begriff der qualitativen Wachstumsstrategie“ mit einer „genaueren Definition“ so: „Qualitativ heißt primär auch ökonomische Schwerpunktsetzung nach ökologisch-ökonomischen Grundsätzen“. Noch genauer: „Qualitativ Wachstum ist immer dann besser, wenn das marktfähige mit dem ökologischen verbunden wird“. Und wenn nicht? Die „neuen Wachstumsimpulse“ bleiben „unter allen Umständen primäres“ Ziel.
Nicht nur das Konzept war bisher ungenügend, auch das Management. Leo: „Es muß das gesamte Aquisitionsmanagement einer grundsätzlichen Prüfung unterzogen werden.“ K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen