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Fußgänger sind nicht mit eingeplant

■ Berlins schlimmste Straßen (12): Kein Platz für Fußgänger in der Joachimstaler

Gestern tobte er wieder in Berlin: der Kampf der Regenschirme. Um nur ja kein Tröpfchen abzubekommen, rannten die Menschen grimmig mit ihrem Nylon-Retter durch die Straßen, ließen an Ampeln anderen die Rinnsale in den Nacken laufen oder gefährdeten die Augen ihrer Mitmenschen durch die Metallspitzen ihres Schirms. Touristen auf dem Weg vom Zoo zum Kurfürstendamm waren besonders gefährdet.

Denn ihre Strecke, die Joachimstaler Straße, ist total überfüllt; nicht nur durch Autos, auch auf den Bürgersteigen. Vom „Komfort der Fortbewegung“ könne gar nicht mehr die Rede sein, so die Autoren der Studie zur stadtverträglichen Belastbarkeit der Berliner Innenstadt durch den Kfz-Verkehr. In dieser Mammut-Untersuchung wurden die Hauptstraßen der Stadt nicht nur auf ihre Sicherheit hin überprüft; auch der Straßenraum wurde beachtet, die Schadstoffbelastung gemessen und die Lärmbelästigung registriert.

Die Joachimstaler Straße fiel in allen Bereichen durch. Nach den Ergebnissen der Experten muß gerade in der Verbindung zwischen Zoo, Ku'damm und Bundesallee dringend etwas geschehen – so eilig, wie nur in zwei weiteren Straßen. Die Gutachter zählten, daß sich in der Joachimstaler Straße stündlich über 720 Fußgänger den einen Meter Gehwegbreite teilen. Wegen der viel zu schmalen Bürgersteige gebe es nicht einmal „ein Minimum an Bewegungsfreiheit“. Eifrig gezählt wurden auch die Bäume an den Rändern der Berliner Hauptstraßen; laut Studie „fiel das Ergebnis durchweg positiv aus“. Nur 14 Abschnitte seien im Hauptstraßennetz gefunden worden, „an denen so gut wie kein Baum stand“: Die Joachimstaler Straße gehört zur traurigen Liste, etwa alle hundert Meter mal ein Baum. Sie landete auf Rang 3 der „40 schlechtesten Straßen im Bewertungsfeld Straßenraum“. Doch im Gegensatz zur „stadtautobahnähnlichen Mühlenstraße“ und dem Sachsendamm, die vor ihr rangierten, gehört die Joachimstaler Straße auch zu den miesesten im Bewertungsfeld „Sicherheit“.

Damit sind nicht nur die Fußwege unattraktiv; auch von der Benutzung oder gar der Überquerung der Joachimstaler Straße muß abgeraten werden: Durch Unfälle entstehen der Gesellschaft jährlich über drei Millionen Mark Kosten. Die Straße ist damit eine der teuersten überhaupt. Da sie praktisch nur im Bereich der Ampeln zu überqueren ist – an anderen Stellen fehlen zur sicheren Überquerung fast 40 Sekunden dauernde Lücken im Verkehr – ist die „soziale Brauchbarkeit“ minimal, wie die Gutachter resümieren. Christian Arns

In der nächsten Folge raten wir von der Warschauer Straße ab.

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