■ Standbild: Jeder Stöhner
„Der Pornojäger“, Samstag, 22 Uhr, Eins plus
Aids ist „keine Strafe Gottes, aber ein Geschenk des Himmels“. Gnadenlos zieht er von Videothek zu Videothek, sammelt „Beweismaterial“, prügelt sich mit Videothekaren, erstattet Tausende von Anzeigen: wegen Pornographie. Er zeigt seine Sammlung von Ordnern und Videobändern, aufgemacht wie ein Stasi-Archiv. Jeder Stöhner Österreichs ist dort dokumentiert. Auf die Frage eines Kontrahenten, auf welche Weise denn seine fünf Kinder zur Welt gekommen seien, schließt er diesbezüglich „solche perversen Sauereien“ schon von Betriebs wegen aus. Stolz hält er eine leere Sektflasche in die Kamera, die er köpfte, als es ihm gelang, Achternbuschs „Das Gespenst“ zu beschlagnahmen.
Die Rede ist von Martin Humer, dem selbsternannten Porno-Inquisiteur Österreichs. Dok- Filmer Peter Heller hat sich mit der Kamera an seine Fersen geheftet. Da der Pornojäger, wie er in Österreich allgemein genannt wird, von seiner Mission überzeugt ist wie die Konquistadores vom Eingeborenen-Abmetzeln, läßt Humer sich bei jeder noch so verwerflichen Aktion über die Schulter blicken. Kleine Sexshops werden systematisch erpreßt; statt Schutzgeld bezieht Humer Szene-Informationen.
Über 90 spannende Minuten gelingt Heller ein Dokument von unschätzbarem (Unterhaltungs-) Wert. Schon 1989 im Ersten gezeigt, ging die Dokumentation damals unter in der Obszönität der Vor-Vereinigungseuphorie. Sie ist ein mit beispielhafter Ruhe, Beharrlich- und Redlichkeit erstelltes Psychogramm eines Soziopathen. Humers Lebenswerk zeugt von Perversion: Obsessiv klinkt er sich aus dem pluralistischen Wertekanon der Gesellschaft aus. Sexualität im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit ist indes nur ein Objekt reaktionären Trieb-Terrors. Hierzulande wirken ähnlich motivierte Demagogen wie etwa Werner Glogauer, denen zufolge Horrorvideos zur Kriminalisierung und, warum nicht, zu rechtsradikalen Ausschreitungen gegen Türken führen.
Hellers Film zeigt, daß die Zensur-Tollwut einsamer Medien-Kammerjäger immer im Schnittpunkt von Individual- und Massenpsychologie angesiedelt ist. Wenn Humer vor zerknitterten Betschwestern und greisen Nonnen für seine Arbeit geehrt wird, so kommen ihm Tränen der Rührung, sein sublimierter Orgasmus. Ohne Religion, die massive Unterstützung durch eine Ideologie, geht es nicht, sagt Humer selbst. Manfred Riepe
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