■ Press-Schlag
: Portos Seele siegt gegen Lissabons Geld

Er hatte Vogelkacke auf der Jacke. Doch das merkte er nicht. Denn er freute sich. Es war an einem lauschig-luftigen Abend im Frühjahr 1987. Nicht nur in Porto, selbst in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon, deren Vereine Benfica und Sporting die ewigen Rivalen der Portuenser sind, hatten sich vor laufenden Fernsehapparaten in den Schaufenstern der TV-Geschäfte kleine Menschentrauben gebildet.

Sie sahen die Live-Übertragung des Endspiels um den Europapokal der Landesmeister, und der FC Porto spielte gegen den FC Bayern München. Porto gewann 2:1. Und die Freude des Mannes mit der Vogelkacke- Jacke, der da am Lissaboner Largo do Calhariz vor dem Schaufenster in der Menge stand, war die des Kleinen, der sich freut, dem Großen endlich mal eins ausgewischt zu haben. Am anderen Morgen waren die Zeitungen voller Lobeshymnen. Auf die Spitze trieb es dabei das Blatt O Dia: „Porto glorifiziert den Namen Portugals“, stand in Riesenlettern auf der Titelseite.

Und jetzt einfach mal frei von der Leber weg generalisieren: Portugal ist fußballbegeistert. Sich vor Aufregung überschlagende Stimmen der Sportreporter im Radio sind die Regel. Doch am letzten Spieltag konnten sie eigentlich ganz ruhig bleiben. Die Meisterschaft war schon seit einer Woche entschieden. Im vorletzten Spiel der Saison hatte ein Tor des Rumänen Ion Timofte zum 1:0-Endstand gegen Beira Mar Aveiro alles klar gemacht: Der FC Porto lag uneinholbar an der Tabellenspitze. Die „Blauen Brachen“, wie die Fans ihre Mannschaft nennen, waren zum 13. Male portugiesischer Fußballmeister. Und das im Jahr des 100jährigen Vereinsjubiläums. Porto siegte mit zwei Punkten Vorsprung vor Benfica Lissabon.

Es war eine Saison mit Unbill für den FC Porto. Doch die Spieler trugen daran keine Schuld. Es waren andere. Zum Beispiel die Familie Silva. Das kam so: Porto hatte auf eigenem Platz 0:1 verloren gegen eine Mannschaft namens FamalicÛo, die am Saisonende auf dem fünftletzten Platz der Tabelle stand. Das Spiel wurde live im Fernsehen übertragen (Es gibt kaum ein Spiel, das nicht live übertragen wird, denn – generalisierend – Portugal ist fußballbegeistert). Nach dem Abpfiff bekamen die Fernsehzuschauer noch eine zehnminütige Zugabe. Paulo Martins, Reporter des staatlichen Fernsehens RTP, hatte gerade angefangen, auf dem Rasen seinen Schlußkommentar zu sprechen, da stürmte Familie Silva aufs Spielfeld. Vater und zwei erwachsene Söhne. Ihre Wut über die Niederlage ihres Clubs FC Porto ließen die drei nun an dem Fernsehjournalisten aus. Vom ältesten Silva-Sohn bekam Martins gleich einen getitscht. Ein Tontechniker, der zur Hilfe eilen wollte, wurde von Vater Silva in den Schwitzkasten genommen. Der jüngere der Silva-Brüder übte sich als Schienbeintreter. Und alles live im Fernsehen. Der Kollege des malträtierten TV-Reporters kommentierte von der Pressetribüne aus im Tonfall der Fernsehkommentatoren. Nur das Vokabular war anders. Anstatt: „Schöne Flanke von rechts“, nun: „Jetzt haut er ihm auch noch das Mikrofon über den Kopf.“

Schließlich gelang es der Polizei, die Silva-Familie vom Platz zu drängen. Draußen vor dem Stadion gingen die Auseinandersetzungen jedoch weiter. Ein Polizist wurde durch einen Steinwurf verletzt. Der portugiesische Fußballverband verhängte für das unziemliche Verhalten der Fans eine Geldstrafe gegen den FC Porto. Außerdem durfte er 14 Tage später den Lokalrivalen Boavista nicht im eigenen Stadion empfangen. Das Spiel mußte vielmehr im 150 Kilometer entfernten Coimbra ausgetragen werden.

Gravierendere Unbill: Dem FC Porto fehlt das Geld. Das ist in Lissabon. „Benfica hat ein Heidengeld ausgegeben für Futre. Wir hätten das nie bezahlen können“, sagt Portos Präsident Jorgé Pinto da Costa. Umgerechnet fast neun Millionen Mark hat Benfica als Ablöse an Atletico Madrid bezahlt, um den portugiesischen Nationalspieler Paulo Futre unter Vertrag zu nehmen. Mit Futre wollte Benfica die Meisterschaft gewinnen. Allein: Es hat nicht geklappt. Einen „Sieg der Fußball-Seele gegen das große Geld“, nannte der Kolumnist Miguel Sousa Tavares denn auch die Meisterschaft für den FC Porto. Die Geldsäcke von Benfica können sich trösten: Immerhin wurden sie Pokalsieger. Theo Pischke