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Notstand beim Müll

■ Senat entscheidet diese Woche, ob der Müllvertrag mit Brandenburg und der Treuhandanstalt unterschrieben wird

Wenn der Senat am Dienstag routinemäßig zusammenkommt, hat er über einen gewichtigen Tagespunkt zu entscheiden. Es geht um nichts Geringeres als um die zukünftige Abfallentsorgung des Landes Berlin. Zeit bleibt kaum noch, denn bis zum 30. Juni muß Berlin gegenüber der Treuhand erklärt haben, ob es zusammen mit Brandenburg die „Märkische Entsorgungsanlagen-Betriebsgesellschaft“ (MEAB) übernimmt. Daß in letzter Minute noch einmal um den längst fertigen Vertrag diskutiert wird, ist dem Präsidenten des Landesrechnungshofes, Horst Grysczyk, geschuldet. Der hatte am 11. Juni in einem Brief an den Chef der Senatskanzlei, Volker Kähne, Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) und Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) moniert, daß sich die Treuhand durch den Vertrag „alle Vorteile und Rechte“ sichere, Berlin und Brandenburg aber „alle Lasten und Risiken... in Milliardenhöhe“ zu tragen hätten.

Dabei schien der ausgehandelte Deal mit der im Treuhandbesitz stehenden MEAB, Eigner der brandenburgischen Mülldeponien Deetz, Vorketzin und Schöneiche, bis vor kurzem noch unter Dach und Fach zu sein. Brandenburg und Berlin sollten, so war es eigentlich vorgesehen, am 17. Juni den Vertrag unterschreiben und zu einem symbolischen Preis von einer Mark die MEAB übernehmen, die Treuhand ihrerseits rund 77 Millionen Mark hinzuschießen.

Doch der Brief von Grysczyk sorgte von Berliner Seite aus zunächst für einen Aufschub. Den Widerspruch des Landesrechnungshofes erregte nicht nur die Frage, ob die beiden Länder die Sanierungskosten, die zwischen 1,2 bis 3 Milliarden Mark liegen sollen, in eigener Regie übernehmen müssen. Kritik übte Grysczyk auch an der vertraglichen Verpflichtung der Länder, einem Monopolisten exklusiv die Müllentsorgung zu überlassen. Hierbei handelt es sich um den bundesweit bekannten Müllhändler Adolf Hilmer, der sich noch zu DDR-Zeiten mit seiner Firma DAW rund ein Drittel der Anteile an der „Brandenburgischen Abfallwirtschafts-GmbH“ (BAG) sicherte – in der BAG ist wiederum die MEAB zu einem Drittel vertreten. Als ein weiteres Zeichen für die „Verfilzung“ der DAW mit der MEAB wertet der umweltpolitische Sprecher von Bündnis 90/ Grüne, Hartwig Berger, den Umstand, daß der derzeitige MEAB-Geschäftsführer aus der DAW stammt und mit Hilmers Firma einen Beratervertrag abgeschlossen hat.

Empört reagierten Berger und seine Fraktionskollegin Michaele Schreyer auch auf die Informationspolitik des Senats. In einem Brief vom 24. Juni an den Chef der Senatskanzlei Kähne beschwerten sie sich, daß Diepgen die Vorsitzenden der Ausschüsse bislang nicht über „die diversen finanziell bedeutsamen Regelungen mit der Treuhandanstalt unterrichtet hat und insbesondere auch nicht über die Risiken und Folgen, die sich (...) aus dem Rahmenvertrag zwischen MEAB und der BAG ergeben“. Von der Senatskanzlei war am Freitag letzter Woche hierzu keine Stellungnahme mehr zu erhalten. Hier verwies man lediglich auf die Senatssitzung. Da werde dann entschieden, „ob nun unterschrieben wird oder nicht“. Severin Weiland

Siehe Kommentar auf Seite 21

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