: Totschläger USA
■ betr.: "Billy the Kid spielt Ronald und George" etc., taz vom 28.6.93
betr.: „Billy the Kid spielt Ronald und George“ etc.,
taz vom 28.6.93
Gratuliere zu Ihrer Überschrift.
Mit diesem törichten Schlag gegen den Irak hat Clinton endgültig sein Gesicht verloren. Ein billiger Racheakt – anstelle wirksamer Politik! Er wird die islamischen Fundamentalisten gewiß ermuntern...
Weltweit sind die Menschen enttäuscht. Dies kommt einer totalen Bankrotterklärung der US-Politik gleich! Es ist sinnloser Bombenterror, zugleich ein Akt der Selbstzerstörung. Da kann man jeden Glauben an eine menschliche Zukunft fahren lassen. Martin Bertsch, Biberach/Riß
Gegen eine Institution vorzugehen, die Morde plant und nach Möglichkeit auch ausführt, erscheint jedem vernünftigen Bürger berechtigt und wünschenswert. Ob dieses Vorgehen im Beschuß mit Raketen bestehen sollte, liegt vielleicht weniger klar auf der Hand; auch müßten sich die USA fragen lassen, ob nicht auch die Zentrale des CIA sich die Berechtigung eines Raketenbeschusses bereits erworben hat.
Bill Clinton, der sich als „Freund der Diplomatie“ – auch gegenüber Bagdad – bezeichnet hat, zeigte sich der Welt als Freund ganz anderer Mittel, zeigte sich als tomahawkschwingender Sitting Bill, Häuptling eines hochtechnisierten Landes, einmal mehr den Nachweis erbringend, daß die ach so fortschrittlichen Leistungen des Verstandes keine Rückschlüsse auf die derzeitige Verwirklichung der Vernunft in der Welt zulassen. Von den 23 von amerikanischen Flugzeugträgern abgeschossenen Raketen verfehlten drei die irakische Geheimdienstzentrale in Bagdad und schlugen in das umliegende Wohngebiet ein, machten sechs Zivilisten zu toten Zivilisten, verletzten weitere 20. Dieses Risiko war absehbar, ja mit toten Zivilisten wurde gerechnet, da dieser Schlag Bagdad völlig unerwartet treffen würde. Doch Clinton gelang es, seine Humanität unter Beweis zu stellen, indem er sein Bestreben betonte, „die Zahl der Opfer möglichst gering zu halten“. So konnte denn auch der Obermilitär Powell von einem „erfolgreichen Einsatz“ sprechen, da sechs Tote und 20 Verletzte wohl eine geringe Zahl von Opfern darstellen, wie wir zu lernen hätten. Wir wollen dies aber nicht lernen, diesen Zynismus der Macht, der doch wohl nur Fühllosigkeit ist. Fühllosigkeit, die die Perversion augenfällig macht: Mister Powell erklärte der irritierten Welt, daß Saddam Hussein ganz absichtlich die Geheimdienstzentrale in ein Wohngebiet gelegt habe, mit dem Skrupel eines möglichen Angreifers rechnend, die Zivilbevölkerung zu gefährden. Aber wie kam es, daß Saddam Husseins menschenverachtender Plan nicht aufging? Kann es sein, daß Iraks Greuelpropaganda den US-amerikanischen Staat gar nicht einmal so unzutreffend zeichnet? So scheint es. Hier steht Menschenverachtung gegen Menschenverachtung. Aus dem Faktum der irakischen Geheimdienstzentrale in einem Wohngebiet läßt sich in diesem Zusammenhang vernünftigerweise nur ein Argument ziehen: nämlich dafür, auf einen Raketenangriff zu verzichten. Wer trotzdem schießt, steht der Menschenverachtung Saddam Husseins kaum nach.
Die ganze Dimension des Irrsinns zu erschließen, blicke man auf die Motivation der USA: nicht Vernunft leitete die „Marschflugkörper“ – wenn sie dies denn können sollte –, sondern der Wunsch nach „Vergeltung“, also Rache. Es heißt, daß Mitte April bei einer „Ehrenparade“ in Kuwait der anwesende Vorgänger Clintons, Bush, mit einer Autobombe getötet werden sollte. Dieses geplante und nicht ausgeführte Attentat wird dem irakischen Geheimdienst zur Last gelegt. (Nebenbei bemerkt, ist der Beweis noch nicht erbracht, daß der irakische Staat der Drahtzieher war: aber das hindert Raketen nicht).
Wie sah die Vergeltung aus? Ein lebender Bush wird mit sechs totgeschlagenen irakischen Zivilisten vergolten. Man möchte meinen, die USA inszenierten auf der Weltbühne, die die ihre ist, den Wilden Westen. Einen solchen, selbsternannten Weltpolizisten, der querfeldein prügelnd daherkommt, sollte die Welt nicht wollen. Sie sollte ihn aus seinem Dienst entlassen. Sie kann es nicht. Denn die Welt gehört eher den USA als der Welt.
Wer will diesen Weltpolizisten nicht aus seinem Dienst entlassen? Zum Beispiel unser Bundeskanzler Kohl. Er beeilte sich mitzuteilen, daß der Raketenschlag der Amerikaner eine „berechtigte Aktion“ gewesen sei. Welch höllische Perspektiven tun sich da auf im Zusammenhang mit der aktuellen Bundeswehr-Diskussion. Die Bundeswehr demnächst auch als Totschläger irgendwo in der weiten engen Welt? Alles halb so schlimm, wenn die Bundeswehr nur auf UNO-Geheiß handeln darf? Wie war das, kürzlich in Somalia: Pakistanische UNO-Soldaten erschießen Frauen und Kinder in einer Demonstration. Wen würde es wundern, wenn auch hier das „Prinzip“ „Vergeltung“ geheißen hat? Guido Seifert, Nürnberg
An die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, Bonn
Mit Entsetzen und Abscheu haben wir zur Kenntnis genommen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika zum wiederholten Male eine sogenannte „Vergeltungsaktion“ gegen den Irak unternommen haben, bei der Opfer unter der Zivilbevölkerung in Kauf genommen wurden.
Es liegen keine Beweise für Ihre Anschuldigungen gegen den Irak vor. Informationen aus amerikanischen Geheimdienstquellen können keine Begründung für so einen eklatanten Bruch internationalen Rechtes sein. Wir möchten an die „Brutkasten-Geschichte“ erinnern, die eine gezielte Lügenkampagne Ihrer Regierung war und neben anderen Faktoren den Überfall auf den Irak rechtfertigen sollte. Dieser Aggressionsakt und das nachfolgende Embargo hat laut einer Studie der Harvard-Universität aus dem Jahre 1992 über 300.000 irakischen Kindern unter fünf Jahren das Leben gekostet.
Wir lehnen jede Form des Terrorismus ab, auch die des Staatsterrorismus. Der Staatsterrorismus hat in der amerikanischen Geschichte Tradition. Zu nennen sind hier z.B. der Angriff gegen Libyen 1986 und die Invasion in Panama, bei der es viermal so viele Tote gab wie bei der Besetzung Kuwaits durch den Irak.
Wir fordern den Präsidenten der Vereinigten Staaten auf, das Völkerrecht zu respektieren und sich zukünftig jeder staatsterroristischen Aktion zu enthalten. B. Lange, Gesellschaft für
Internationale Verständigung,
Göttingen
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