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Zivis provozierten Kumpel

■ Aktionen der Kali-Kumpel aus Bischofferode in Erfurt, Bonn und Berlin

Erfurt (taz/dpa) – Bei einer friedlichen Demonstration von über 500 Kali-Kumpel aus Bischofferode in Erfurt ließ es sich die Polizei gestern nicht nehmen agents provocateures loszuschicken. Nachdem Demonstranten in ihren Reihen drei bewaffnete Polizisten in Zivil enttarnten, die zuvor die Menge zu Gewaltaktionen angestachelt hatten, kam es zum Tumult. Zumindest einer von ihnen soll früher für die Stasi gearbeitet haben. Immer wieder riefen die Demonstranten deshalb „Stasi raus“ oder „Wir lassen uns nicht aufhetzen“. Uniformierte Beamte brachten die Zivis schließlich in Sicherheit. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten kritisierte das Vorgehen ihrer thüringischen Kollegen als „Anschlag auf die Versammlungsfreiheit“.

Während die Kumpel mit Transparenten wie „Bischofferode ist überall“ vor dem thüringischen Landtag für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze in der Grube „Thomas Müntzer“ demonstrierten, beriet selbiger drinnen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Frieder Lippmann, lehnte dabei die Schließung des Bischofferoder Kali- Werks und den Fusionsvertrag zwischen der Mitteldeutschen Kali AG und der Kali und Salz AG in Kassel als sittenwidrig ab. Das Argument, nur so sei der gesamtdeutsche Kali-Bergbau zu retten, sei ein Vorwand, um Ostbetriebe auszuschalten, sagte er. Das sei grotesk, da es mit dem westfälischen Unternehmer Johannes Peine einen Kaufinteressenten gebe. Peine hatte in dieser Woche sein Übernahmeangebot bekräftigt, das den Erhalt von 536 Arbeitsplätzen vorsieht.

Die Landesregierung müsse sich jetzt dafür einsetzen, daß die Bundesregierung den Fusionsvertrag in seiner jetzigen Form rückgängig macht und Bischofferode erhalten wird, erklärte Lippmann. Eine Revision des Fusions- Vertrages verlangte auch die Fraktion Linke Liste/ PDS. Ein Sprecher der CDU-Fraktion verlangte bescheiden eine zeitliche Streckung der für Ende 1993 vorgesehenen Schließung um mindestens ein Jahr.

Unterdessen setzten 42 Bergleute der Bischofferoder Grube ihren Hungerstreik fort. Allerdings mußte schon der dritte Kumpel ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ein Kollege ist für ihn eingesprungen. Einige Bergleute verweigern bereits seit zwei Wochen die Nahrung.

In Berlin wurde vor dem Teuhand- Gebäude in der Leipziger Straße eine Mahnwache abgehalten und mit einer Kundgebung gegen die Arbeitsplatzvernichtung protestiert. Bürgermeister aus der gesamten Region Eichsfeld suchten in Bonn den Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) sowie die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Kanzler Kohl heim.

Kommentar Seite 10

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