: Eine Quote zeigt wenig Auswirkung
■ In der Berliner Justiz liegt der Frauenanteil über Bundesniveau / Eine "humanere Justiz" dürfen Bürgerinnen und Bürger aber deshalb nicht erwarten / Frauen besetzen 35 Prozent der Richterstellen
Als Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) zu Beginn des Jahres 1990 die Nachfolge für den scheidenden Präsidenten des Kammergerichts, Dieter Dehnicke, regeln wollte, stand ihr der Amtsinhaber gerne mit Rat und Tat zu Seite. Er schlug ihr, wie es Brauch war, drei Spitzenjuristen aus seinem Hause vor. Der Rat schmeckte der Senatorin jedoch nicht, sie favorisierte eine Frau auf dem damals höchsten Richterposten des Landes. Auch mit passenden Kandidatinnen konnte Dehnicke aufwarten, allerdings erst auf insistierende Nachfrage hin. Die, die es dann wurde, Gisela Knobloch, „wäre von selbst auf die Idee gar nicht gekommen“.
Dieser Vorgang ist in mehrfacher Hinsicht signifikant für den Stand der Frauenemanzipation in der Berliner Justiz – sofern sich dieser an der Besetzung von Ämtern bemißt.
Ob eine Frau eine solche Spitzenposition einnimmt, ist weniger eine Frage der fachlichen Qualifikation, die ist, nach einhelliger Einschätzung, auf die Juristen beider Geschlechter gleich verteilt. Daß Knobloch die Frage, „ob ich mir das zutraue“, letztlich positiv beantwortete, lag vor allem auch am politischen Willen der Senatorin, mit der Nominierung ein Zeichen zu setzen. Sie hat im Laufe ihrer Amtszeit bereits vier Führungspositionen des Gerichtswesens mit Frauen besetzt, neben dem Kammergericht das Landessozialgericht, das Amtsgericht Mitte und die Amtsanwaltschaft. Damit will sie dem allgemeinen Trend in der Justiz entgegensteuern, der da heißt: „Je höher man guckt, desto rarer wird das weibliche Geschlecht.“ Dieses Vorhaben ist ihr zwar noch nicht zur eigenen Zufriedenheit gelungen, doch kann Limbach immerhin darauf verweisen, daß Berlin bei der Einstellung und Beförderung von Frauen die Spitzenposition unter den Bundesländern einnimmt. 35 Prozent der Richter sind weiblich, 10 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Bei den Staatsanwälten sind es gar 39 Prozent.
Unter den 453 Berliner Chefanklägern und Spitzenrichtern der Besoldungsgruppen R2 bis R6, befinden sich allerdings lediglich 15,7 Prozent Frauen. Das ist zwar ebenfalls über Bundesniveau, doch zugleich eine emanzipatorische Lücke, von der Limbach weiß, daß „wir immer Schwierigkeiten haben“, diese zu schließen. Denn Karriere machen vor allem die, „die karrierewillig sind und gute Noten haben“. Über letzteres verfügen auch Frauen im ausreichenden Maße, ersteres läßt jedoch nach, sobald ein Kind erzogen werden will. Dann wird, wie es eine Studie des Bundesjustizministerium so verwaschen wie erhellend formuliert, „die Vereinbarkeit des Berufes mit den Aufgaben in der Familie zum zentralen Lebensziel“ der Juristinnen.
Das Vertrauen auf den „neuen Mann“ bietet da wenig Aussicht auf bessere Verhältnisse an der Geschlechterfront. Gerade mal eine Handvoll von ihnen, so Limbachs Resümee, würde die Möglichkeit des Erziehungsurlaubes nutzen. Und so wird die Justizsenatorin noch einige Zeit damit zu kämpfen haben, daß „wir zuwenig Frauen auf der Vorschlagsliste für die obersten Bundesgerichte“ haben. Deren Besetzung sei „ein Trauerspiel“.
So einhellig die Forderung nach einem größeren Frauenanteil in der Justiz ist, so eindeutig ist auch die Wirkung, die er nicht erzielt. Eine Veränderung der Spruchpraxis der Gerichte ist, nach Limbachs Erfahrung, davon nicht zu erwarten. Auch Knobloch, zu deren Aufgaben die Begutachtung junger Richter gehört, vermag keine Geschlechterdifferenz in den Urteilen zu erkennen. Allenfalls auf eine angenehmere Atmosphäre könne ein Angeklagter hoffen, wenn er vor seiner Richterin steht. Nach Ansicht des Mitglieds des Richterwahlausschusses, Adelheit Koritz-Dohrmann, werde ein größerer Anteil von Frauen die Justiz nicht humanisieren, dazu sei vielmehr eine Demokratisierung der Dritten Gewalt erforderlich. Dieter Rulff
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