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Härtetest

Komiker auf dem Prüfstand: „Comedians“ von Trevor Griffiths am Londoner Lyric Theatre  ■ Von Peter Münder

„Wie lauten die vier goldenen Regeln für Komiker?“ will der Theateragent und Talentsucher Bert Challenor von den sechs angehenden „Comedians“ wissen, die sich in einem Abendkurs zu Komikern ausbilden lassen wollen. Seine Antwort: „Erstens: Alle Zuschauer sind dämlich, aber nur ein unfähiger Komiker läßt es sie auch merken. Zweitens: Zwei Lacher sind besser als einer. Drittens: Du mußt das Publikum nicht lieben, aber das Publikum muß dich lieben. Viertens: Verkauf dich teuer. Denn wenn du etwas verschenkst, ist es wertlos.“

Diese geballten Binsenwahrheiten muten sich die Vertreter, Bauarbeiter und Lkw-Fahrer während ihres Komik-Unterrichts nach Feierabend nur zu, weil sie ihren Traum vom großen Entertainer- Erfolg verwirklichen wollen: Endlich einmal eine volle Music Hall zu Begeisterungsstürmen hinreißen, als Star-Komiker eine eigene TV- Sendung bestreiten und dann eine neue Karriere beginnen ...

Von wegen Entertainer-Romantik: Der aus Manchester stammende 58jährige Ex-Trotzkist Trevor Griffiths, wohl der letzte der aufmüpfigen britischen 68er- Garde, der schon mit „The Party“ (1973) und „Maggies Children“ zeigte, daß er immer für ideologische Fragestellungen und brisante gesellschaftskritische Analysen gut ist – er lotet hier in lässiger Manier die Untiefen aus, die sich hinter den sexistischen Blödeleien, rassistischen Witzen und der aggressiven Anmache dieser Möchtegernkomiker verbergen.

Im Gegensatz zu John Osborne, der seinen reaktionären Entertainer Archie Rice und dessen dümmlichen Clan genauso verklärte wie die gesamte Epoche der verlogenen Empire-Grandezza, legt Griffiths mit Biß und Witz die Schwachstellen eines komödiantischen Mikrokosmos bloß, die auf die Misere eines Klassensystems hinweisen, in dem eben, wie es George Orwell formulierte, „einige gleicher sind als andere“.

Zwei irische Arbeiter, ein jüdischer Geschäftsmann, die beiden Brüder, die sich permanent beharken, und dann der krasse, kompromißlose Außenseiter Gethin Price, der für die anderen den idealen Sündenbock abgibt: in dieser kleinen Gruppe, die sich bestens kennt, kämpft jeder gegen jeden. Die Häme, die rassistischen, antisemitischen Witze, sie wirken, von schlagfertigen, intelligenten Selbstdarstellern abgefeuert, besonders zynisch und gnadenlos.

Die angehenden Comedians müssen ihren ersten Auftritt vor einer gelangweilten Meute frustrierter Bingospieler überstehen, die lieber ihre Zahlenspiele betreiben, als den abgestandenen Witzen zuzuhören. Und sie befinden sich plötzlich in einem Loyalitätskonflikt: Sollen sie auf die Lektionen ihres erfahrenen, gutmütigen Lehrers Eddie Waters (beeindruckend: Berwick Kaler) hören und sich billiger Effekthascherei verweigern oder sich doch anbiedern und all die plumpen Vorurteile bedienen, wie es der auf imbezile Massenbelustigung setzende Challenor (Jeff Nuttall) offensichtlich erwartet?

Höhepunkt dieser grandios-dilettantischen Club-Auftritte ist der unter die Haut gehende, provozierend-aggressive Auftritt des Nonkonformisten Gethin Price, den Tim McInnerny als störrischen, klassenkämpferischen Punk gibt. Der kahlköpfige, weiß geschminkte Price führt eine Art mimischen Amoklauf vor: Ein Komiker, dem die Galle hochkommt, wenn er an Britanniens Establishment in der Nacht denkt. Statt einer ursprünglich einstudierten, harmlosen Musiknummer knöpft er sich nun ein bourgeoises Bilderbuchpärchen vor. An zwei in Abendkleidung steckenden Schaufensterpuppen lädt er den lebenslang aufgestauten Frust, aber auch eine gehörige Portion Larmoyanz ab, was mal absolut überzeugend, dann auch ekelhaft und abstoßend, aber eben nie komisch wirkt. Ein überwältigender Effekt der brillanten Inszenierung von Jude Kelly sind die verblüffenden Kontrapunkte, die den Zuschauer arg strapazieren: Nach den routiniert ausgeteilten Kung-Fu-Schlägen des Außenseiters Price folgt eine kurze Szene von umwerfender, qualvoller Schönheit, als der wilde Punk der Schaufenster- Schönen mit einer Nadel eine rote Blume auf die Brust heftet. Was zuerst noch wie ein hübscher, tränengroßer Farbtupfer auf der weißen Bluse wirkt, entpuppt sich dann als immer größer werdende, blutige Wunde.

Einziger Schwachpunkt des Stücks, den auch die Regisseurin Kelly nicht ganz eliminieren konnte, ist die überraschende Schlußvolte, in der sich der Lehrer Eddie Waters im Disput mit seinem Schüler, dem Revoluzzer Price, an einen KZ-Besuch in Deutschland erinnert. Seit diesem traumatischen Schock kann er nicht mehr an den Sinn komischer Effekte, letztlich auch nicht mehr an die Ausbildung von Komikern glauben. Das kommt dann doch überraschend und wirkt in diesem Kontext auch an den Haaren herbeigezogen. Ganz abgesehen davon, daß Griffiths als Pennäler wohl regelmäßig den Erdkundeunterricht geschwänzt haben muß und daher Weimar mit Salzburg verwechselt – oder Mozart mit Goethe? Seit wann hatte denn, wie Waters ernsthaft behauptet, Mozart sich in Weimar ein Arbeitszimmer eingerichtet?

„Comedians“ ist dennoch ein Fest für Schauspieler, ein Theaterabend, der unter einer harmlos erscheinenden Oberfläche provozierende Wahrheiten über gnadenlose Überlebensstrategien und das auch von Komikern gepflegte Prinzip Hoffnung offenbart.

Trevor Griffiths: „Comedians“. Regie: Jude Kelly. Bühnenbild: Lez Brotherston. Mit Tim McInnerny, Berwick Kaler, Willie Ross, Jeff Nuttall, Liam dre Staic, Vincent Regan. Lyric Theatre, Hammersmith, bis 24. Juli

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