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Bittere Früchte

Kleinbauern in Martinique und Guadeloupe hoffen auf die Bananenordnung der EG / Das große Geschäft macht der US-Konzern Chiquita  ■ Von Birgit Pape-Thoma

Eigentlich könnten sie ja aufatmen, die europäischen Bananenanbauer. Der Europäische Gerichtshof hat die deutsche Klage gegen die Bevorzugung der Einfuhr von Bananen der Kanarischen Inseln, Madeiras und der französischen Überseedepartements zurückgewiesen. Aber trotzdem hört das Wehgeschrei der Franzosen nicht auf.

Die Bananenproduzenten der Antilleninseln Martinique und Guadeloupe, die sich rühmen können, die einzigen tropischen Bananen der EG zu liefern, beklagen seit gut einem Jahr einen rapiden Preisverfall ihres Exportprodukts, der sie in die Überschuldung treibt und viele der Kleinanbauer zur Aufgabe zwingt.

Gespannt wartet man nun in Martinique auf die Preise, die nach der neuen EG-Marktordnung zu erzielen sind. Nach Angabe von Frantz Anexime, Gewerkschafter und Präsident der Vereinigung der jungen Bauern in Martinique, können die meisten der kleinen Bananenpflanzer unter den bisherigen Bedingungen nur noch kurze Zeit durchhalten.

Doch auch die großen Bananenproduzenten sind in die Klemme geraten. Seit den Tagen der Sklaverei besitzt eine Handvoll weißer Ex-Kolonisatoren, die etwa zehn sogenannte „Béké“-Familien, 80 Prozent des landwirtschaftlich genutzten Grundbesitzes der karibischen Insel. Die Bananen spielen neben dem Rum die Hauptrolle im Exportgeschäft Martiniques Insel, das im übrigen ebenso wie Supermarktketten, Versicherungen, Automobilhandel und Tourismus fest in weißer Hand ist.

Daß Jammern und Klagen wenig nutzt, sagte sich Bananenexporteur Marcel Fabré, Präsident der Holding „Fabré-Domerque“, schon vor einigen Jahren. „Die EG“, so der schwergewichtige Mann, dessen Familie bereits seit 1635 auf der Insel ansässig ist, „gibt kein Geld fürs Schlafen. Ich verstehe die Deutschen; wir hier in Martinique müssen umdenken.“

Fabré zog die Konsequenzen und verbündete sich mit dem Weltgrößten im Bananengeschäft, mit der amerikanischen „Chiquita Brand“.

Für Fabré liegen die Vorteile auf der Hand: Er verkauft seine Bananen, und das sind immerhin 20 Prozent der Produktion Martiniques, fortan unter dem Markennamen „Chiquita“. Das garantiert ihm einen wesentlich höheren Verkaufspreis als die örtliche Genossenschaftsbanane „Banina“, deren Name allenfalls in Frankreich einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzen mag.

Weiter von Vorteil für Fabré ist die Nutzung der Chiquita-Logistik. Denn die Kühlung und Reifung der krummen Früchte ist das A und O des Seetransportes, und hierin ist der Bananenmulti Chiquita eben auch führend.

Die Tatsache, daß Chiquita sich über seine französische Filiale COB („Compagnie des Bananes“) mit 33 Prozent bei der Fabré-Tochter SOBACA („Société bananière caraibe“) eingekauft hat, bringt vor allem Yves Hayot, Fabrés Hauptwidersacher im karibischen Bananenstreit, auf die hier buchstäbliche Palme. Hayot, wie Fabré einer der reichsten Békés der Insel, ist Präsident der SICABAM („Société coopérative d'interêt collectif agricole bananière de la Martinique“), einer Art Nationalkartell für Bananen. Für Hayot kommt der Verkauf von Anteilen an einen ausländischen Multi dem Ausverkauf der Insel gleich: „Chiquita hat sich bisher nie für Martinique interessiert. Wir sind viel zu klein für den Größten. Was also bezweckt Chiquita jetzt, wenn nicht die Destabilisierung? Chiquita benutzt Fabré als trojanisches Pferd, um so an die Vorteile des europäischen Marktes zu gelangen.“

Ein öffentlich ausgetragener Streit unter den reichen Weißen, die seit Jahrhunderten zusammenhalten und ihre Wirtschaftsmacht und die koloniale Kultur fest gegen ein eventuelles schwarzes Eindringen verteidigen, ist wahrlich neu in Martinique. Doch angesichts der Realität, daß gut ein Drittel der Bananen von Kleinanbauern produziert wird und ebenfalls ein Drittel der Bevölkerung direkt oder indirekt von der Banane lebt, denken die schwarzen Kleinanbauer kaum daran, sich über die Querelen der Békés zu mokieren. Aber wie Hayot sind auch sie empört und befürchten den Ausverkauf ihrer wichtigsten Überlebensgrundlage. Frantz Anexime sagt es deutlich: „Mehr als 35.000 Arbeitsplätze hängen von der Bananenproduktion ab. Unsere Kosten sind hoch, da wir im Gegensatz zu den lateinamerikanischen Multis ordentliche Löhne und Sozialabgaben zahlen. Wir dulden es nicht, daß die Multis, deren niedrige Kosten auf der Ausbeutung der Arbeiter in der Dritten Welt basieren, unseren Markt aushöhlen.“ Seine Lösung: Die Kosten so weit wie möglich senken bei einem möglichst hohen EG-Preis, die Qualität der Bananen Martiniques weiterhin steigern, und das unter Beibehaltung oder Vergrößerung der Anbaufläche der Kleinproduzenten: angesichts einer Arbeitslosenquote von bis zu 30 Prozent in den französischen Überseedepartements Martinique und Guadeloupe ein verständlicher Wunsch.

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