: Kraftsport für Trecker
■ Bauern und Bastler beim Traktor-Pulling in Sottrum / Bauernsport bis zu tausend PS
Kraftsport für Trecker
Bauern und Bastler beim Traktor-Pulling in Sottrum / Bauernsport bis zu tausend PS
Bauer Warneke ist schlau: Ganz links an der Bahn fährt er mit seinem Trecker, da, wo der Boden noch fest ist. Doch auch Warnekens Klaus kann nicht lang gegen den Bremswagen an — schon bäumt sich der Trecker auf, die kleinen Vorderrädchen laufen leer in der Luft, schon graben sich die dicken Hinterräder in den Boden. „Aus“, winkt der Flagmann.
Trotzdem: Mit 83 Metern ist Klaus Warneke der Größte am Sonntag beim 8. Lauf zur Deutschen Meisterschaft im Traktor- Pulling. Der Größte jedenfalls in der Standard-Klasse. Die serienmäßigen Traktoren mit bis zu 150 PS und unverändertem Motor werden nämlich noch immer nicht sehr ernst genommen. Immerhin kriegen so aber auch die Landwirte aus der Umgebung mit ihrem Hanomag oder Deutz eine Chance.
Klaus Warneke kümmert die Mißachtung wenig: Als er an den Tausenden von ZuschauerInnen vorbei zurück zum Fahrerlager fährt, hebt er königlich die Hand zum Gruß. Vom Siegertreppchen schaut der 47jährige in Cordhosen, Herrensandalen und kariertem Hemd dann aber doch ein bißchen verlegen herunter. Im Hintergrund brüllen schon die frisierten Motoren der „Freien Klasse“. Klaus Warneke schüttelt den Kopf über soviel Lärm. Für „sowas“ haben er und sein Zwillingsbruder Gustav keine Zeit, immerhin bewirtschaften die beiden einen 300-Hektar-Hof in der Nähe von Uelzen.
Dabei bedeutet auch „Standard“ schon eine ganze Menge Umrüstarbeit: Der Allrad-Antrieb wird auf Hinterrad-Antrieb umgestellt; die Reifen müssen scharf und schräg angeschnitten werden, der besseren Griffigkeit wegen. Vorn wird ein Zusatzgewicht eingebaut, damit der Trecker nicht so früh hochgeht. Spezialität der beiden Warneke-Buben: ein Gewicht, das man während der Fahrt nach vorn verschieben kann.
In den 50er Jahren war Traktor-Pulling ein Wettbewerb der amerikanischen Farmer: Die banden sich große Findlinge hinter die Trecker. Heute hat sich das Pullen zu einem hochtechnischen Motorsport entwickelt mit kompliziertem Bremswagen und Lasermessung. Höchstens die
Sieger bei den Unfrisierten: Die Bauernzwillinge WarnekeFoto: Jörg Oberheide
Hälfte der Teilnehmer kommt noch aus der Landwirtschaft.
Plötzlich frißt sich ein Trecker fest. „O nein“, hört man jetzt den Moderator jammern, „das sieht böse aus.“ Wettbewerbs-Moderator Erich Schnackenburg nimmt seine Sache ernst: Alle zwei Wochen feuert er sieben Stunden lang Traktorfahrer an, bittet das Publikum um Sonderapplaus auch für Umgekippte und Trecker, die sich schon nach 20 Metern festgefressen haben. Der Mann kommt aus Oldendorf nahe Osterholz-Scharmbeck, bekannt als „Dorf der Verrückten“; Dort messen sich die Menschen im Pfahlwettsitzen und Bauchweitrutschen.
„Damit ist die Saison wohl gelaufen für den Gold Digger“, sagt Schnackenburg. Aus dem Eigenbautraktor tropft ein Gemisch aus Öl, Methanol und Flugbenzin. Feuerwehrleute schütten weißes Ölbindemittel auf die Pfützen.
hierhin bitte die
Männer auf dem Treppchen
Zusammengesunken sitzt der 27jährige Bolko Martens, der Lokalmatador aus Sottrum, auf dem Traktor, während das Fahrzeug aus der Arena gezogen wird. Im Fahrerlager klopft ihm sein vierköpfiges Team auf die Schulter. Sein Kumpel, ein Mechaniker für Landwirtschaftsmaschinen, liegt bereits unter dem Wagen. Diagnose: Der Motorblock ist gerissen. „Tja“ seufzt Martens, von Beruf Vertreter für Drucklufttechnik, „wer keine Lust zum Schrauben hat, für den ist das nichts“. Traktor-Pulling ist nicht nur ein zeitaufwendiges, sondern auch ein kostspieliges Vergnügen: Rund 60.000 Mark stecken in dem 3.000 PS starken Gefährt, das Martens fährt. Damit liegt man noch an der unteren Grenze, andere investieren eine Viertelmillion.
„Die Zeiten sind vorbei, als man sich die Teile vom Schrottplatz holte“, erzählt die Sottrumer Crew. Die Konkurrenz kauft
sich heutzutage ganze Einspritzanlagen fix und fertig in den USA. Das geht nur mit Sponsoren. Die Sottrumer haben bislang nur ein T-Shirt spendiert bekommen. Und ihr Europa-Meisterschaftstitel liegt nun auch schon neun Jahre zurück.
In all dem Getöse genießt eine Familie in Camping-Stühlen den Sonntagnachmittag. Muttern packt Frikadellen aus der Kühltasche. Bei 20 Mark Eintritt pro Erwachsenem und 10 Mark pro Kind sind Würstchen nicht drin. Doch mit einem Mal ist die Familie samt Kühltasche in einer Dieselwolke verschwunden: Die frisierten Trecker der „Super Standard Klasse“ haben noch nicht auf Methanol umgestellt. Das trägt den Serienschleppern mit bis zu 1000 PS, aber mit serienmäßigem Motor, regelmäßig Kritik ein. Dabei verbrauche ein Trecker gerade mal zehn Liter Diesel pro Start, sagt die „Pulling News“. Christine Holch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen