: Von wegen Kellerloch-Milieu
■ Zum Thema der Woche als Experte: Lutz Wilke, der Bremer Bodybuilding-Weltmeister / „Dieses Pumpgefühl im Muskel!“
taz: Wollen die Leute denn alle gleich Wettkampf-Athleten werden?
Lutz Wilke: Nein, der normale Werdegang ist so: Sie werden durch Bekannte, Familienmitglieder, Arbeitskollegen motiviert, erstmal mit ins Studio zu kommen. Dann stellen Sie fest: Mensch, das ist eigentlich gar nicht so schlimm, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dieses Kellerloch-Milieu, dunkel, schweißtriefend, nur Gestöhne und Geächze - das gibt es ja nun nicht. Wenn Sie dann merken, daß Sie sich durch das Training wohlfühlen, dann fallen auch die ganzen Vorurteile gegenüber dem Bodybuilder-Aussehen.
Gibt es auch Leute, die mit ganz bestimmten Körper-Idealen ins Studio kommen und sagen: Ich will unbedingt so wie Arnold aussehen?
Das ist nur eine kleine Zielgruppe, vorwiegend aus jungen, männlichen Kunden. 80 Prozent der Leute machen das nur für sich, wollen nie auf die Bühne und im Rampenlicht stehen, sondern sich einfach wohlfühlen und ihre Fettpolster reduzieren, damit alles ein bißchen straffer aussieht. Wenn die dann merken, daß es ihnen auch körperlich besser geht, von der Verdauung bis zum gesamten Wohlbefinden, werden sie vielleicht auch ehrgeiziger. Auch von denen bleibt der ein oder andere hängen und wird auch süchtig nach dem Training.
Gibt es dabei eine gewisse Lust, den eigenen Körper zu stählen und zu formen?
Ja, zweifelsohne. Man freut sich aufs Training und auf die Anstrengung, freut sich darauf, die Gewichte zu bewegen. Das geht ja einher mit einem gewissen Gefühl - dieses Pumpgefühl im Muskel, wenn er größer wird und eine gewisse Spannung entsteht. Je länger man trainiert, umso intensiver kommt das und umso mehr kann man das genießen.
Wie erklären Sie sich die enorme Breitenwirkung, die das Bodybuiling in den letzten Jahren erfahren hat?
Es ist die einzige Sportart, die ich zeitlich ganz individuell gestalten kann. Ich habe da kein Regle
hierhin bitte
den Männerkopf mit
Igelfrisur
Lutz WilkeFoto: Christoph Holzapfel
ment wie im Verein. Zweitens: Die Ärzte empfehlen es immer mehr, als Prophylaxe oder nach Operationen zur Rehabilitation. Früher mußte der Patient nach einer Blinddarm-Operation vier Wochen mit 'nem Sandsack im Bett liegen, danach konnte er kaum noch laufen und war mit dem Kreislauf am Ende. Heute schmeißen die ihn nach zwei Tagen aus dem Bett und sagen: Be
wegen, bewegen!
Werden Bodybuilder schneller trainingssüchtig als andere Sportler?
Das gibt es auch bei anderen Sportarten, bei Marathonläufern zum Beispiel. Ich nehme an, das hängt in beiden Fällen zusammen mit einer Mischung aus einer gewissen Endorphin-Ausschüttung, dem Erfolgs-Erlebnis und anderen Faktoren - auch damit, daß es eine unheimliche Entspannung nach sich zieht. Nach dem Training fühle ich mich absolut super. Da kann mich kann überhaupt nichts aus der Ruhe bringen, der Körper fühlt sich richtig wohlig-warm und zufrieden, da kann ich vorher noch so aufgedreht gewesen sein.
Wie notwendig ist es denn für den Freizeit-Bodybuilder, sich an die schweren Trainings-Maschinen zu setzen - viele Profis schwören ja nach wie vor auf einfache Lang- und Kurz-Hanteln.
Alle Grundübungen kann man natürlich sehr gut mit Hanteln machen. Da haben genug Bodybuilder in früheren Jahren ja mit einer ganz primitiven Ausrüstung wahnsinnige Erfolge erzielt. Wenn einer sich nur fithalten will, reicht das vollkommen aus, um den Bewegungsapparat zu fördern. Trotzdem sind die Maschinen nicht überflüssig. Im Bodybuilding-Bereich will man ja auch einzelne Muskeln hier und da noch richtig rauskitzeln, und das geht nur, wenn man sie an speziellen Maschinen isoliert trainieren kann.
Eine Menge Geld wird ja auch für die Spezialnahrung ausgegeben, die man angeblich braucht; neben Pulvern, Drinks und Konzentraten kommen neuerdings auch tonnenweise süße Snacks auf den Markt. Was empfehlen Sie den Amateuren davon?
Die berühmte Frage ist immer: Wieviel Eiweiß braucht der Körper? Das wird dann leider immer gleich umgerechnet in soundsoviel Eßlöffel Pulver. Aber wenn ich mich eiweißreich ernähre, also: zum Frühstück 'ne Packung Quark und Mittags ein 400-Gramm-Stück Seelachs-Filet und abends nochmal ein Liter Milch, damit habe ich einen gewissen Anteil gedeckt und brauche nur noch den Rest als Konzentrat zu mir nehmen. Man muß versuchen, beide Sachen richtig zu gewichten. Nur Konzentrate - das ist meiner Meinung nach völlig verkehrt. Der größte Teil der Nahrung sollte aus Vollwertkost bestehen. Interview: tom
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