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Wer einmal Zigaretten verkauft...

■ VietnamesInnen von Abschiebung bedroht, weil sie 1990/91 illegal mit ein paar Stangen Zigarettenhandelten / Rechtsanwälte halten das im Gegensatz zu den Gerichten für "nicht verhältnismäßig"

Die Senatsverwaltung für Inneres scheint beim Kampf gegen illegalen Zigarettenhandel nicht besonders differenziert vorzugehen: Wie Rechtsanwälte der taz mitteilten, sind VietnamesInnen von der Abschiebung bedroht, weil sie in den Jahren 1990 beziehungsweise 1991 einige Stangen Zigaretten illegal weiterverkauften. „Sie werden nun dafür bestraft, daß sie sich damals am Leben halten wollten“, kommentierte Tamara Henschel von der Beratungsstelle für ausländische Bürger. „Wenn die damals zum Sozialamt gegangen wären, hätte ihnen die Abschiebung gedroht“, meint auch Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf zur taz.

In einem besonders gravierenden Fall erhielt ein Vietnamese einen Ausweisungsbescheid, obwohl er „seitdem nie wieder straffällig“ geworden sei und inzwischen über ein eigenes Einkommen verfüge, sagte Schlagenhauf. Er hatte im März 1991 „sechs bis sieben Stangen Zigaretten“ angekauft und war wegen „Steuerhehlerei“ zu 400 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Schlagenhauf kennt „mindestens 15 ähnlich schlimme Fälle“. Eine Abschiebung könne man in solchen Fällen „nicht als verhältnismäßig bezeichnen“. Auch Rechtsanwalt Lutz Weber weiß von „etwa 30 Fällen“.

Nach dem Ausländergesetz kann ein Ausländer des Landes verwiesen werden, wenn sein Aufenthalt „die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der BRD beeinträchtigt“. Laut Weber handelt es sich dabei um „eine Ermessensentscheidung“, bei der „die Gesamtsituation der Betroffenen“ zu berücksichtigen sei.

Hintergrund der drohenden Abschiebungen, so wird in Rechtsanwaltskreisen gemutmaßt, sei eine interne Anweisung von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), rigoros gegen den illegalen Zigarettenhandel vorzugehen. Sein Pressesprecher Hans- Christoph Bonfert bestritt das: „Wir haben uns keinesfalls auf eine bestimmte Gruppe oder Nationalität eingeschossen.“ Den Hinweis auf die besondere Situation der VietnamesInnen zur „Wende- Zeit“ ließ er nicht gelten: „In unserem Land muß niemand aus finanziellen Gründen zu gesetzeswidrigen Mitteln greifen.“

Die Senatsverwaltung für Inneres argumentiert in ihren Bescheiden, „ein strafbares Verhalten“ sei „grundsätzlich kein geringfügiger Rechtsverstoß“. Es sei zu befürchten, daß von den Betroffenen „auch künftig Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen“ würden. Weber räumte ein, der Hinweis auf die „Kriminalität drumherum“ sei „grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen“, man müsse jedoch „jeweils den Einzelfall betrachten“.

Die Gerichte haben die Ausweisungsbescheide der Innenbehörde bisher nicht angefochten. „Dem massenhaften illegalen Zigarettenschmuggel kann wirksam nur durch eine kontinuierliche Ausweisungspraxis begegnet werden“, beschied das Oberverwaltungsgericht Berlin kürzlich in einem Widerspruchsverfahren. Auch das Verwaltungsgericht meint, „aus generalpräventiven Erwägungen“ seien die Ausweisungsverfügungen, „jedenfalls ab einer Menge von sechs Stangen Zigaretten [...] nicht zu beanstanden“. Schlagenhauf gibt sich kämpferisch: „Ich warte auf den nächsten krassen Fall.“ Dann will sie eine Verfassungsklage anstrengen. ujo

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