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Alle warten auf Boizenburg

■ Stromstreit in Ostdeutschland jetzt so gut wie beigelegt / 13.000-Seelen-Gemeinde wartet noch auf schriftliche Zusagen / Milliardeninvestitionen bald möglich

Berlin (taz) – Boizenburgs Bürgermeister Uwe Wieben will alle Zusagen schriftlich auf dem Tisch haben – dann erst ist er bereit, die Klage, die die 13.000 Seelen-Gemeinde gegen den Stromvertrag vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt hat, zurückzuziehen. Doch es sieht ganz danach aus, daß es demnächstsoweit ist — der Streit um den Stromvertrag beigelegt wird. Dann dürfen die Richter die Klage von 164 Gemeinden aus den neuen Bundesländern zu den Akten legen. Und Milliardeninvestitionen, die wegen des Verfahrens auf Eis liegen, können in Angriff genommen werden.

In der mecklenburgischen Gemeinde Boizenburg soll nach dem bekannt gewordenen Kompromiß der Strom in den nächsten fünf Jahren nicht von einem Stromkonzern, sondern von den Stadtwerken im benachbarten Lauenburg geliefert werden. Anschließend will die Stadt die Versorgung selbst übernehmen. Dies aber ist der Knackpunkt: Das Wirtschaftsministerium in Schwerin muß der Gemeinde die eigene Stromversorgung noch erlauben. „Das Ministerium muß bei der Vergabe der Genehmigungen auch darauf achten, daß die regionalen Stromversorger überlebensfähig bleiben und nicht ausschließlich winzige Dörfer beliefern können“, beschreibt Rosemarie Folle vom Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) den Konflikt. Im Falle von Boizenburg aber sieht alles nach einer Lösung aus, weil der Regionalversorger Wemag, hinter dem die Hamburger Elektrizitätswerke (HEW) stehen, den Kompromiß miterarbeitet hat. Ursache des Streits war der Stromvertrag, den die Regierung von Ministerpräsident de Maiziere kurz vor Auflösung der DDR mit den westdeutschen Stromkonzernen vereinbart hatte. Darin wurde ihnen der Zugriff auf kommunale Netze und Anlagen zugesichert — quasi ein Monopol für die Stromerzeugung und -lieferung in der Ex-DDR.

Angeführt von der Stadt Stendal zogen 164 Gemeinden vors Bundesverfassungsgericht, weil Artikel 28 des Grundgesetzes die Energieversorgung als kommunales Selbstverwaltungsrecht festschreibt — und sich mit Strom Geld verdienen läßt. Nach zähen Verhandlungen kam es schließlich zu einem grundsätzlichen Kompromiß: Die Kommunen verpflichten sich, in den nächsten 20 Jahren nicht mehr als 30 Prozent des Stroms selbst zu erzeugen und ihre Anteile von insgesamt 49 Prozent an die regionalen Stromunternehmen abzugeben. Dafür bekommen die größeren Gemeinden, die eigene Stadtwerke gründen können, die Anlagen und Betriebsteile auf ihrem Gebiet kostenlos übertragen. Kleinere Gemeinden sollen ausbezahlt werden. In den letzten Wochen konnten Kompromisse mit mehreren, noch unzufriedenen, thüringischen Kommunen gefunden werden. Jetzt fehlt nur Boizenburg. Annette Jensen

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