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Ein Goldzahn für ein Auto Von Ralf Sotscheck

Die Angestellten privater Sicherheitsfirmen, die Falschparker auf Privatgrundstücken mit Metallkrallen lahmlegen, gehören zu den meistgehaßten Menschen in England und Wales – in Schottland hat das höchste Gericht diese Praxis im vergangenen Jahr als „Erpressung und Diebstahl“ definiert und verboten. Die modernen Wegelagerer, die von den Grundstücksbesitzern meist kein Geld nehmen, sondern lediglich von dem Lösegeld leben, das sie für die Freilassung der Blechkisten verlangen, kassieren nach Gutdünken zwischen 50 und 240 Pfund (ca. 125 bis 600 Mark). Dabei bestehen sie auf Bargeld. Wer nichts dabei hat, muß ein Pfand herausrücken, damit das Auto freigegeben wird. Eine Frau aus London mußte ihren Goldzahn hinterlegen, ein Mann aus Liverpool seinen neuen Videorecorder. In einem Fall verlangte die Privatkralle gar das Kind einer Parksünderin als Geisel.

Um auf ihre Kosten zu kommen, gehen die Firmen recht listig vor: AutofahrerInnen behaupten, daß die Angestellten die Warnschilder abmontieren, um die Autos auf verbotenes Gelände zu locken. Kaum haben die Ahnungslosen geparkt, werden die Schilder wieder angeschraubt und der Wagen festgekrallt. Die Privatfirmen nehmen etwa 150 Millionen Pfund (ca. 375 Millionen Mark) im Jahr ein. Nicht immer gelingt es den Krallenmenschen jedoch, sich mit der Beute aus dem Staub zu machen. Manch Opfer zieht vor den Kadi, und meistens lenken die Firmen vor der Verhandlung ein, weil sie keinen Präzedenzfall schaffen wollen. Die 45jährige Julie Jones aus Birmingham nahm sogar ihren Kleinwagen auseinander, um der Lösegeldzahlung zu entgehen.

Die Schwerbehinderte war per Eisenbahn von einer ärztlichen Untersuchung aus Sunderland zurückgekehrt. Ihr Mann Michael, der sie vom Bahnhof abholen wollte, hatte den Wagen so nah wie möglich am Ausgang geparkt. Als beide zum Auto zurückkehrten, hatte ein Angestellter der Firma „Uro Securities“ den Wagen festgekrallt – trotz eines großen Behinderten-Aufklebers am Auto. Der überaus mißtrauische Mensch ließ sich nicht auf eine bargeldlose Transaktion ein, sondern verlangte „siebzig Pfund bar auf die Hand“. Daraufhin rief Frau Jones die Polizei an, die ihr erklärte, daß sie die Zahlung umgehen könnte, wenn es ihr gelänge, die Kralle loszuwerden, ohne sie zu beschädigen. Das ließ sich die wütende Frau nicht zweimal sagen. Mit Hilfe ihrer Schwester und ihres Schwagers sowie zahlreicher Passanten und Taxifahrer löste sie die Radaufhängung, schob den Wagen zur Seite und zog das Rad dann lässig aus der unversehrten Kralle. Zum Abschied grüßte Julie Jones den gefoppten Krallenmonteur mit ausgestrecktem Mittelfinger.

Meistens geht die eigenmächtige Autobefreiung jedoch schief. Ein 42jähriger aus Leicester fand nach der Taufe seines Sohnes den Wagen angekrallt vor der Kirche. In der Hoffnung, mit plattem Reifen der Kralle zu entkommen, schlitzte er das Rad mit einem Schraubenzieher auf. Beim Anfahren verkantete sich die Kralle jedoch und riß den Kotflügel ab. Am Ende mußte der Mann nicht nur das Lösegeld, sondern obendrein für die beschädigte Kralle blechen.

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