■ Erneut Bedenkliches
: Heimspiele der Geschlechter

Während die Geschlechterdebatte die aufgeklärten Kreise der Gebildeten heimsucht und man wie frau allenthalben zwischen bi, hetero, andro, transi und homo geläufig zu unterscheiden lernt; während die Androgynen weltweit die große Kasse machen und der hübsche Prince seinen Namen gar in das Weiblichkeits- und Männlichkeitssymbol als Kombi avantgardisiert; während die Geschlechtsumwandlung Hose-auf, Bluse-ab durch alle Talkshows wandert; während die mündige Konsumgesellschaft längst Abschied genommen hat von „den alten Stereotypen“ und die Männermodels allesamt obenrum rasiert sind: während dieses Staffellaufs ins dritte Jahrtausend der Zivilisation also setzt sich, hinter unseren gut eingecremten, gut trainierten Rücken der Herrenmensch doch wieder aufs hohe und aufs Schlachtroß. Dem Vernehmen nach lieferten sich gerade erst etwa 70 Wissenschaftler bei einem Experten- Hearing der Universität Göttingen zum Thema „Morphologie der Spermatozoen“ eine erbitterte Debatte, wieviel Prozent intakter Samenzellen pro Ejakulat für die sogenannte Fortpflanzungsfähigkeit wohl genügen. Man vertagte sich schließlich mit der Pressestelle einvernehmlich dahin, „daß weitere intensive Forschungsarbeiten in diesem Bereich unabdingbar“ seien. Dem Vernehmen nach sitzen aber gerade auch wieder 250 deutsche Männer unter und neben vielen anderen Soldaten im fernen Wüstensande und führten als Feldgeistlichen lediglich den Schriftsteller Bodo Kirchhoff mit sich, der allerdings als Fachmann für exotische Erotik sich prompt die Leiste brach und wieder ausgeflogen werden mußte. Für die weitere geistige Versorgung der Truppe sind nun aus der Ferne nur noch Volker, Klaus und der Spiegel als Gesamtorgan deutscher Befindlichkeit zuständig; Volker ist ebenfalls schon verletzt, Klaus („außenpolitisch handlungsfähig werden und sozusagen diesen Nachteil hinnehmen“) gebricht es an Entschiedenheit, um männliches Vorbild zu sein, und der Spiegel, Augstein zum Trotze, titelt mit der auch militärisch heiklen Frage „Schwul geboren?“.

Uns hier in der Redaktion suchte unlängst erst die Vorstellung heim, ein Spiel, das bisher nur in abendlicher Heimlichkeit in den Fraktionsräumen der SPD gespielt wird und dort das beliebte „Wir kennen keine Parteien mehr“ abgelöst hat, ein Spiel mit dem dubiosen Namen „Wir zeichnen eine Kriegsanleihe“ sei nun auch in den Casinos Belet Huens Gewohnheit geworden. Niemand vermag uns diese Ahnung zu bestätigen, es findet sich aber auch kein Gerechter, der seinen Stiefel dafür gäbe, daß es sich nicht so verhält. Was nun fehlt, ist ein Feldgeistlicher, der den Kontakt zur Heimat hält und unsere bange Frage beantwortet, ob sich im Innersten der Truppe das Androgyne („Wir kennen keine Geschlechter mehr“) oder das entschieden Männliche („Wir zeichnen eine Kriegsanleihe“) durchsetzen wird. Was treibt eigentlich Friedrich Schorlemmer derzeit? ES