: Unbeamtet wohnen
■ Oberfinanzdirektion will nun doch 2.000 Alliierten-Wohnungen vermieten
Seit Monaten hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Mühe zu erklären, warum trotz drückender Wohnungsnot ehemals alliierte Wohnungen bis zum Einzug Bonner Bundesbediensteter leerstehen. Bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Behörde konnte OFD-Präsident Ingo Trendelenburg gestern zwar erstmals Konzepte für die Zwischennutzung von rund 2.000 Wohneinheiten vorlegen. Erklären mußte sich der 54jährige Jurist aber auch zu seiner eigenen Person. Die Nachricht, daß ausgerechnet der Behördenchef eine repräsentative Alliierten- Villa aus dem Bestand der OFD bezieht, war in den letzten Tagen nicht eben mit viel Verständnis aufgenommen worden.
Die OFD will Wohnungen dem freien Markt unter der Voraussetzung zur Verfügung stellen, daß die Immobilien „langsam wieder in die Verfügungsmasse des Bundes zurückfließen“ und dann für den Regierungsumzug zur Verfügung stehen, sagte Trendelenburg. Die Finanzbeamten sehen für eine Zwischennutzung drei Möglichkeiten. Für problemlos halten sie eine Vergabe an das Studentenwerk, das befristete Mietverträge abschließt. Wenig Resonanz fand dagegen die Idee, Führungskräften der Wirtschaft vorübergehend Wohnraum aus ihrem Bestand anzubieten. Der Bedarf sei gering, weil die Entwicklung Berlins zur Hauptstadt nur schleppend vorangehe, sagte Trendelenburg.
Vom dritten Zwischennutzungsmodell könnten auch „Normalbürger“ profitieren. In Verhandlungen klärt die OFD momentan, ob eigene Wohnungen treuhänderisch an vier Wohnungsbaugesellschaften in Berlin vergeben werden können. Im Gegenzug müßte dafür ein Belegungsrecht für freiwerdende Wohnungen aus deren Bestand vereinbart werden. Die Gesellschaften sollten für die entsprechenden Wohnungen entweder befristete Verträge schließen oder Mietern angemessene Ersatzwohnungen stellen, wenn die Bundesbediensteten Ansprüche anmelden. Von 6.200 Alliierten-Wohnungen sind seit 1990 1.277 zurückgegeben worden, 713 davon wurden bereits vermietet oder sind in Übergabe, 564 stehen „instandbedingt“ leer.
Zum eigenen Einzug in die für rund 5.000 Mark gemietete Villa aus OFD-Bestand in bester Wohnlage am Dahlemer Dohlenstieg sagte Trendelenburg, er habe sich nichts vorzuwerfen. Das Vergabeverfahren sei „besonders strengen Regeln“ unterworfen gewesen, sogar der Bundesfinanzminister habe schriftlich zustimmen müssen. „Ich nehme niemandem eine Wohnung weg“, meinte Trendelenburg. Schließlich könne sich auch nicht jeder eine Miete in dieser Höhe leisten. Hans Monath
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