: Ehrlicher Finder
■ Felix Droese pinnt seine Drucke an die Wände des Museum Ludwig
Eine Abreibung für die Kunst, verpaßt von Felix Droese, und zwar eigenhändig: Im Kölner Museum Ludwig hat er seine „Drucke vom Holz“ an die Wände der graphischen Gemächer gepinnt wie im Klassenzimmer einer Grundschule – ohne Glas und Rahmen und unter gröblicher Verletzung der feingemaserten Tapete. Scheinbar wild und unsortiert hat der Künstler seine Bilder die Wände rauf und runter plakatiert, augenzwinkernd gegenüber der Institution Museum und mit viel Gespür für einen elementaren Unernst der Kunst. „Alles übereinander und durcheinander und gegeneinander“ lautet sein Motto, mit dem er in sämtliche Richtungen gestikuliert. Gegen den Feinsinn setzt er die Grobschlächtigkeit seiner Technik, gegen die ästhetisch- elitäre Erziehung jene zum mündigen Humor seines Material-Recyclings, gegen die Geradlinigkeit eine Kunst der unordentlichen Linienführung.
Eine Druckserie wie „Der doppelte Mittelpunkt“ zeigt das Verfahren: In eine ovale, an einen Totenschädel erinnernde Grundform, deren Struktur unschwer das Jahresringprofil eines Baumstammes erkennen läßt, ritzte Droese die sich überlagernden Konturen eines Quadrates und eines Kreises. Als Druckträger benutzt er eine Einkaufstüte der „Conditorei Drexl Confiserie“ oder einen Bericht der FAZ über den 9. November 1989. Ein andermal plaziert Droese den Schädel auf vergilbtem Papier, kombiniert ihn mit dem Röntgenbild eines Brustkorbs und formuliert darüber in Großbuchstaben die „Deutsche Frage“. Suggestiv oder rhetorisch – eine Durchleuchtung durch den Betrachter gibt keinerlei Aufschluß, wie die Quadratur des Kreises gemeint sein könnte. Droese arbeitet nicht nur mit Vorliebe mit Einblatt-Serien, die ihren eigenen Kontext schaffen (der Katalog verzeichnet vierundvierzig Versionen des beschriebenen Druckes), seine Technik kommt dieser Arbeitsweise auch entgegen.
Dem Handwerk im doppelten Wortsinn verbunden, zieht Droese seine Blätter nicht mit der Presse, sondern von Hand ab, genauer gesagt: er reibt sie ab. In Köln stellt sich der 1950 geborene documenta-Teilnehmer und Ausstatter des deutschen Biennale Pavillons 1988 in die Tradition der Holzschneider, deren Kunst eng mit der Entwicklung des politischen Plakats und der Flugschrift verbunden ist. Neben modernen Künstlern wie Edvard Munch und HAP Grieshaber ist es vor allem der Einfluß des Lehrers Joseph Beuys, der allenthalben spürbar wird: im Umgang mit Form und Fläche wie in der Verwendung und Zusammenstellung der Materialien.
Droeses Haltung ist die des ehrlichen Finders. An den Rändern der Überflußgesellschaft spürt er auf, was niemand mehr haben will, es steckt im Schlick oder kommt von der Kippe, gilt als aufgebraucht und nicht länger verwertbar. Treib- und Bauholz geben durch Form und Maserung die Strukturen vor, denen Droese meist eine lapidare Bearbeitung folgen läßt. Mit dem Resultat bedruckt er löchrige Textilien und veraltete Landkarten, eingerissenes Packpapier und die Zeitung von gestern, wobei er mit Vorliebe Wattschlick als Farbe benutzt. Aber nicht genug damit: Er überarbeitet, erweitert und kombiniert seine Druckstöcke, stellt sie am Ende zu Skulpturen zusammen und erzeugt so einen inneren Kontext, eine Kontinuität des eigenen Werks, die in Köln auch deutlich wird. Neben den Gruppen der Drucke sind einige dieser Ensembles zu sehen.
Der heimliche, der manchmal banale und manchmal abgründige Witz vieler Arbeiten liegt in ihren Titeln, die häufig als Inschrift direkt in den Druckstock geschnitten und damit zum Bestandteil des Werkes werden. Merksatz oder Menetekel, flotte Parole oder politische Floskel, immer laden sie das Bild semantisch auf, schaffen dadurch aber eher belustigende Verwirrung als ernstliche Klarheit: „Anhörungsrecht für alle Tiere im Bundestag“, oder „het ideologische gras wegmaaien“, „ich helfe nie“ oder „end of sale“. Sie setzen zu einer politischen Erklärung oder moralischen Stellungnahme an, die in der bloßen Absicht steckenzubleiben scheint. Doch die Kombination von reduzierter graphischer Form und simpler sprachlicher Formel erzeugt ein ungleich komplizierteres Wechselspiel. Mal friesisch-herb (der Künstler lebt auf dem platten Land), mal rheinisch-karnevalesk tritt Droese gegen allzu eilfertige Glaubwürdigkeiten an. In der Wirklichkeit wie in der Kunst. „Alle maße sind vor ort zu überprüfen“ – der Satz stammt aus dem Baugewerbe. Auf ein schmales Stück Holz geschrieben, wird er zur künstlerischen Meßlatte, die Droese seinen Nachrichten und Fundstücken aus der Verwertungs-Wirklichkeit einprägt. Wir geben die darin enthaltene Aufforderung gerne an den geneigten Besucher weiter. Thomas Fechner-Smarsly
Felix Droese: Drucke vom Holz 1984–1993. Museum Ludwig Köln. Bis zum 5. September. Katalog 38 DM
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