„Eine Massenbewegung für Bosnien“

Die Kommandanten der bosnischen Armee wollen keine Einigung um jeden Preis / Der bosnisch-kroatische Politiker Klujić kritisiert den Kroaten Mate Boban  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

„Mate Bobans Kurs ist eine Tragödie für die Kroaten in Bosnien“, sagt Stjepan Klujić. Der ehemalige Spitzenpolitiker der bosnischen Kroaten war im Frühjahr 1992 durch Tricks aus der Führung der „Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft“ HDZ gedrängt worden. Seitdem hat sich der Hauptrepräsentant der Kroaten in Bosnien zu einem der härtesten Kritiker des „Präsidenten“ der „Kroatischen Republik Herceg- Bosna“, Mate Boban, entwickelt.

Klujićs Kritik an der Politik der Boban-Miliz „Kroatischer Verteidigungsrat“ HVO ist überdeutlich: In der langen Geschichte Bosniens hätten Kroaten und Muslimanen niemals gegeneinander gekämpft, die Kroaten des Landes seien Bosnier und stünden zu diesem Staat. Mit der von Boban betriebenen Politik des Bevölkerungsaustausches werde so ein Verbrechen gegen das Kroatentum begangen. Die Westherzegowina-Kroaten machten zudem nur 20 Prozent der bosnisch-kroatischen Bevölkerung aus, bestimmten dort jedoch die gesamte kroatische Politik.

„Wie soll ich“, fragt Klujić, „meinen muslimanischen und serbischen Nachbarn entgegentreten, die wir hier in Sarajevo alles miteinander teilen?“ Durch die großen Erfolge, die die bosnische Armee in den letzten Wochen gegenüber der HVO erzielt hat, verliere Boban nun selbst auf dem Schlachtfeld. Klujić klagt auch die Truppen der „Muslimanische Befreiungsstreitkräfte“ MOS, die der bosnischen Armee angegliedert sind, an. Diese gingen mehr und mehr dazu über, mit ähnlichen Mitteln wie die serbischen und kroatischen Streitkräfte zurückzuschlagen.

Als letzte Woche die strategisch wichtige Stadt Bugojno erobert wurde, ist den kroatischen Militärs bewußt geworden, daß ihre abschätzige Meinung über die Kampfkraft der bosnischen Armee revidiert werden muß. Denn nun ist diese in der Lage, die Nachbarstädte Bugojnos, die noch zum Teil von der HVO kontrolliert werden, zu erobern. Fielen jedoch diese Städte, wäre der Zugang zu den noch von der HVO kontrollierten Gebieten Zentralbosniens unterbrochen. Indem es der bosnischen Armee zudem gelungen ist, Fojnica und Jablanica zu kontrollieren, ja sogar einen Zugang zum bosnisch kontrollierten Teil Mostars zu schaffen, ist nun der größte Teil Zentralbosniens in ihrer Hand. Die HVO geht Gefahr, auf die rein kroatisch besiedelten Gebiete der Westherzegowina zurückgeworfen zu werden. Und auch die mit großer technischer Überlegenheit vorgetragenen serbischen Angriffe wurden zurückgeschlagen. Selbst in Sarajevo ist die furios vorgetragene serbische Offensive zum Stehen gekommen.

Der Befürchtung Klujićs, daß mit dem Krieg zwischen Kroaten und der Bosnischen Armee das bosnische Kroatentum ausgelöscht würde, treten die beiden Vizekommandanten der Bosnischen Armee, Stjepan Šiber und Jovan Divjak entschieden entgegen. Für Šiber, selbst bosnischer Kroate, steht die Bosnische Armee weiterhin für die multikulturelle Identität des Landes. Und der bosnische Serbe Divjak weist ganz entschieden darauf hin, daß alle Kroaten, die in Zentralbosnien lebten und nun geflohen sind, in ihre Häuser und Wohnungen zurückkommen könnten. „Wir wollen keine ethnischen Säuberungen.“ Der Befehl eines Kommandeurs in Zepće, kroatische Zivilisten zu Geiseln zu machen, würde von der Armeeführung aufs Schärfste verurteilt.

Man müßte aber in Betracht ziehen, daß Zepće von kroatischen und serbischen Truppen eingeschlossen sei, daß dort große Verbrechen geschähen. So seien Hunderte von Menschen in einem Tunnel von Panzern der HVO ermordet worden. Um Maglaj hätten die serbischen und kroatischen Nationalisten ein Zweckbündnis geschlossen, gingen brutal gegen die muslimanische Bevölkerung vor. „Dennoch wird dieser Befehl des Kommandanten von Zepće Folgen haben, wir werden solche Praktiken nicht dulden. Wir kämpfen für ein freies, demokratisches Bosnien, in dem alle Bevölkerungsgruppen miteinander leben können.“

Die neuesten Erfolge der bosnischen Armee scheinen der bosnischen Regierung bei den Genfer Verhandlungen wieder etwas Luft verschafft zu haben. Beide Armeeführer lehnen einen Kompromiß in Genf ab, wenn er um jeden Preis geschlossen würde. „Eine Konföderation zu schaffen, hieße, die ethnische Säuberung zu legitimieren“, erklärt Šiber. „Wir haben zwar nur wenig Waffen, aber wir haben eine hohe Moral. Von der Welt erwarten wir, daß die UNO- Resolutionen eingehalten werden.“ Und in den Resolutionen 752 und 804 wurde festgestellt, daß Bosnien in seinem Abwehrkampf unterstützt werden müßte.

Auch Stjepan Klujić tritt für ein einheitliches Bosnien ein. „Wenn Bosnien geteilt würde, werde ich eine Massenbewegung für die Wiederherstellung Bosniens ins Leben rufen.“ Die Welt dürfe die Teilung des Landes nicht akzeptieren.