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„Erwartet keine Wunder von uns“

■ Was bleibt von der Philosophie der Ampel? (3) / Der grüne Umweltsenator Ralf Fücks

Vor fast zwei Jahren wurde die Bremer Ampelkoalition als Modell verstanden. Die taz fragt nach, was aus dem Traum vom Ausgleich zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialpolitik geworden ist.

taz: Ist die Ampel nur noch eine Notkoalition? Wäre die Koalition nicht längst auseinandergebrochen, wenn es eine andere Mehrheit gäbe?

Ralf Fücks: Es gibt ja die Alternative einer Großen Koalition. Zumindest bei den Grünen bei den Grünen gibt es immer noch eine inhaltliche Präferenz für diese Koalition, wenn man sich mal rot/grüne Blütenträume abschminkt, die gegenwärtig weder arithmetisch noch politisch realistisch sind, angesichts der gesellschaftlichen Akzeptanz, die Regierungspolitik in diesen Zeiten haben muß.

Der Beobachtung, daß die Ampel keine Euphorie auslöst, können sich ja auch die handelnden Personen nicht entziehen. Und wenn dieses Bündnis gefährdet ist, dann weniger durch einen Sturmangeriff der Opposition, als durch eine schwindende innere Motivation.

Die Ampel verröchelt, sagt Thomas Franke.

Es gibt eine Müdigkeit über die permantenten Konflikte, in denen wir uns aufreiben und den Mangel an gemeinsamen Zielvorstellungen und einem gemeinsamen Grundverständnis über die Richtung, die jetzt eingeschlagen werden soll. Trotzdem glaube ich immer noch, daß die Ampel gegenwärtig die interessanteste und produktivste Regierungskombination ist.

Die beiden kleineren Partner haben über den Streit miteinander genug Profil bekommen, von der SPD kann man nicht sagen, sie hätte in den vergangenen zwei Jahren Profil entwickelt. War es von heute aus betrachtet nicht falsch, mit dieser SPD zu koalieren?

Die Alternative wäre gewesen, sich vornehm aus der Regierungsbildung herauszuhsalten und das Feld einer großen Koalition zu überlassen, in der sich die negativen Eigenschaften der SPD noch potenzieren. Stichwort: Filzokratie und Strukturkonservatismus. Oder eine schwarze Ampel mit der CDU einzugehen —

aber mit welcher? Wenn es in Bremen eine Biedenkopf-Geißler-CDU gäbe, wäre das eine ernsthafte politische Option gewesen, aber doch nicht mit dem politischen Personal und dem programmatischen Profil, das die CDU in Bremen hat.

Was bedeutet dann noch so eine Erfahrung wie das Mißtrauensvotum gegen Sie? Sind das nicht Signale dafür, daß diese Koalition gar nicht mehr lange halten kann?

Das Mißtrauensvotum bot die Chance für ein bewußtes Zusammenrücken der Koalition. Stattdessen hat sich das Gift des politischen und persönlichen Mißtrauens vor allem in der SPD ausgebreitet. Die tut sich schwer, politische Differenzen anders als über Intrigen auszutragen. Das zeigt sich jetzt wieder bei den Demontageversuchen gegenüber Klaus Wedemeier.

Ich sehe aber keinen Sinn darin, wie ein Kaninchen auf die Schlange auf die Konvulsionen der SPD zu starren. Das wäre ja eine etwas abstruse Konsequenz für die Grünen, in die Opposition zu gehen, weil die SPD nicht regierungsfähig ist. Ich ziehe daraus eher den Schluß, daß Grüne und FDP sehr viel stärker als bisher Gesamverantwortung für die Regierungspolitik übernehmen müssen und nicht nur als Lobbyparteien für die jeweiligen Interessen auftreten können. Die SPD ist zwar zahlenmäßig die größere

hier bitte der Mann

im Kamerafenster

Partei, daraus folgt aber noch lange nicht, daß sie auch politisch in diesem Bündnis die erste Geige spielen muß, wenn sie es nicht kann.

Mit dem Sanierungsprogramm hat man den Eindruck, daß die Grünen eher an den Rand gedrängt sind.

Nein, wer sich die Mühe macht, das Sanierungsprogramm zu lesen, wird merken, daß es ein Zerrbild ist, daß Bremen damit zu einer Wachstumspolitik um jeden Preis zurückkehren würde. Flächenrecycling und Stadtumbau, Umweltforschung und Umwelttechnik sind ebenso Bestandteil des Sanierungsprogramms wie der Ausbau des öffentlichen Nah- und Regionalverkehrs. Selbst beim Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm (WAP) hat es eine deutliche Korrektur in Richtung „ökologische Modernisierung“ gegeben.

Was stimmt, das ist, daß den Grünen als Partei und uns als Ressort alleine die Rolle zugefallen ist, ökologische Interessen in der Ampel zu vertreten. In der FDP und der SPD hat es eher eine Regression in Richtung traditioneller Wachstumskonzepte gegeben. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Und dazu gibt es die Probleme mit der Kaufmannschft.

Die ist sehr gespalten.

Bei der Vollversammlung der Sparkasse sind Sie bei der Wahl in den Vorstand mit

Pauken und Trompeten zweimal durchgefallen.

Man darf die bremische Kaufmannschaft weder mit der Vollversammlung der Sparkasse noch mit dem Präsidium der Handelskammer verwechseln. Wir haben ein ausgesprochen kooperatives Verhältnis zu einer Reihe von bremischen Unternehmen entwickelt, aus dem konkrete Projekte zur Reduzierung von Abwässern, zum Energiesparen, zur Müllvermeidung, zur Entwicklung umweltfreundlicher Techniken entstanden sind. Mein Eindruck ist eher, daß Teile der Wirtschaft weiter sind als die Politiker, mit denen wir es in der Regel zu tun haben.

Seit die Grünen das Umweltressort übernommen haben, haben es die Ökologen in den anderen Parteien schwerer, und auch die Umweltverbände und Initiativen sind abgetaucht. Fehlt dem Ressort der Pfeffer von außen?

Es gibt ja eher das Phänomen, daß die Umwelt- und Verkehrsinitiativen das Ressort nicht nur als ihre politische Adresse betrachten, sondern für alles verantwortlich machen, was wir nicht durchgesetzt haben. Manchmal würde ich gerne die Verantwortung für Erfolge und Niederlagen an die Umweltbewegung zurückgeben und sagen: Erwartet von uns keine Wunder, wenn Ihr selbst nichts auf die Beine bringt. Fragen: Jochen Grabler

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