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Geheime Dokumente im VW-Reißwolf

■ VW räumt Vernichtung von Geheimpapieren ein / Ehemalige GM-Mitarbeiter stopften Material in den Reißwolf / Aufsichtsrat vertraut Lopez weiter / Dieses Jahr bislang 1,6 Milliarden Mark Verluste

Wolfsburg/Rüsselsheim (AP) – Die Wolfsburger Volkswagen AG hat eingeräumt, daß Mitarbeiter möglicherweise geheime Unterlagen ihres früheren Arbeitgebers General Motors/Opel vernichtet haben. Damit habe jede Gefahr der Verbreitung bei Volkswagen verhindert werden sollen, erklärte der VW-Aufsichtsrat nach einer außerordentlichen Sitzung in der Nacht zum Samstag. Das Kontrollgremium sprach zugleich seinem der Industriespionage beschuldigten Einkaufschef Jose Ignacio López das volle Vertrauen aus.

Der Vorstand der Konkurrenz von Opel sah in der Mitteilung des VW-Aufsichtsrats dagegen ein spätes Eingeständnis, daß vertrauliche Opel-Dokumente in der Hand von VW-Mitarbeitern gewesen seien. Die Vernichtung der Papiere sei ein untaugliches Mittel, den Mißbrauch und den Besitz der geheimen Unterlagen zu verschleiern: „Opel sieht das Geständnis von VW, Opel-Eigentum in Wolfsburg vernichtet zu haben, als für die Staatsanwaltschaft und ihr Ermittlungsverfahren außerordentlich bedeutsam an.“

VW-Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Liesen hatte nach der fünfstündigen außerordentlichen Sitzung zwar erklärt, eine VW-interne Untersuchung habe keine Erkenntnisse darüber ergeben, daß geheime Unterlagen aus dem Besitz ehemaliger GM/Opel-Mitarbeiter an Volkswagen gelangt seien. In der Erklärung hieß es allerdings weiter: „Sowohl in Wiesbaden als auch im Hotelbetrieb Gästehaus Rothehof trugen ehemalige GM-Mitarbeiter dafür Sorge, daß Unterlagen, die möglicherweise GM zugeschrieben werden und kritische Informationen enthalten könnten, zur Beseitigung jeder Gefahr der Verbreitung bei Volkswagen vernichtet wurden.“ Hinter den Kulissen der Aufsichtsratssitzung registrierten Beobachter allerdings mehr Distanz zu Lopez. Der Spiegel zitiert einen Aufsichtsrat mit den Worten: „Wir müssen eine Brandschneise zwischen Piäch und Lopèz schlagen.“

Der Opel-Betriebsratsvorsitzende Rudolf Müller sagte am Wochenende, er befürchte, daß immer mehr Käufer aufgrund des Streits negative Kaufentscheidungen gegen Automobile der beiden großen Hersteller träfen. „Es gibt Käufer, die sich von diesen Dingen leiten lassen.“

VW erwartet nach den Worten seines Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piäch schon im dritten und vierten Quartal 1993 schwarze Zahlen, nachdem der Konzern in der ersten Jahreshälfte einen Gesamtverlust von 1,602 Milliarden Mark gemacht habe. Voraussetzung sei allerdings, daß sich die Marktentwicklung nicht verschlechtere.

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