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Widersprüche schöpferisch leben

■ Aus alten tazzen: Installaton“Urgrund“ von Rolf Bergmeier in der Galerie Gehrke

Monolithisch ragt sie dem Betrachter entgegen, lockt mit dem Reiz des einen Pfennigs, fast hundertfach, will Nachdenklichkeit und Glück gleichermaßen evozieren: die Installation Urgrund - Ein Requiem für Milliarden des 1957 in Cuxhaven geborenen und in Hamburg arbeitenden Plastikers Rolf Bergmeier.

Die Ausgangsfrage des Künstlers war einfach und postmodern folgerichtig: Wie werde ich schnell reich mit Kunst? Solche Fragen sind durchaus provokant bergmeierüblich - beginnt doch sein selbstentworfener Lebenslauf mit den Worten: „Ich habe von sehr vielen Künstlern immer mal ein bißchen gelernt. Später bin ich dann noch so zwei Jahre in Akademien rumgelaufen. Kai Sudeck (ein ehemaliger Prof. der HfbK, Anm. d. Red.) riet mir: ,Studieren Sie in der Natur!' Ich habe mich sehr lange gefragt, wie er das meint, und was das denn ist ...Natur.“ So lautet nun die zur Meditation gestellte Frage: Was ist denn das ...Geld? Konsequenterweise kommt Bergmeier zu dem Ergebnis, daß es „in der Kunst wirklich nicht um Geld geht“ - und gehen darf.

Der konkrete Austausch ist angestrebt, aber eben auf einer spirituellen wie materiellen Ebene. Hier verortet er den Urgrund. Der Mensch selbst verleiht den Dingen eine Wertung. Dies aber einseitig materiell zu tun, ist ein Armutszeugnis des Menschen selbst, erzeugt nur negative Energien: Konkurrenz, Neid, Haß, Rassismus, Krieg. So bezeichnet sich der Plastiker auch selbst als „spirituellen Anarchisten“, im Kern ein Widerspruch in sich, aber dies ist es, was der Künstler provozieren möchte: Um- und Neudenken auf dem Feld eines von Yuppie-Galeristen seit fünfzehn Jahren angezettelten geistigen Tschernobyls, wo Geld Geist ersetzt: dem Feld der Kunst.

Die Formensprache des den Galerieraum ausfüllenden Monolithen beruht auf der Auseinandersetzung mit der Bildsprache Asiens. In Anlehnung an asiatische Ideogramme ist der aus drei Jahrgängen der taz mit Wasser und Leim produzierte Monolith, eine die innere Wachstums- Bewegung nachahmende Figur.

Die geistige Lebenslinie muß durch eine genau bemessene, triebhaft-tierische Ebene im freien Gleichgewicht gehalten werden. Wenn dieser Idealzustand erreicht ist, ist die Frage des Glücks nicht mehr an den Besitz von Geld als symbolischem Tauschwert gegen den Tod gebunden, sondern wird zu einer Frage der Anwendung lebensspendender Energien. Um sich von der Macht des Geldes zu lösen, produzierte Bergmeier ebenfalls aus alten Tageszeitungen - die immer schon gleich vergänglichen Werte. Seine circa 1OOfach vergrößerten Pfennigsstücke sind Kleinplastiken, die das geistige Objekt, den Urgrund materiell umlagern und in seiner fragilen und sensiblen Statik bedrohen.

Für DM 3OO,- erhält der Interessierte einen Pfennig. Widerspruch? Wer weiß: Vielleicht ist dies der von Gundel Gaukeley immer wieder gejagte erste selbstverdiente Taler des Finanz- und Rhetorik Genies Dagobert Duck, der da formulierte: Gold ist nicht alles, es gibt auch noch Platin. Für Bergmeier gilt eher: Denkt daran, Geld ist nicht alles, es gibt auch noch die geistige Nähe und Liebe, die alle anderen Scheinwerte überdauern wird.

Befrachtet der Künstler seine sehr gelungene, sinnliche Installation auch noch mit zu vielen sprachlichen Allgemeinplätzen und esoterischen Heilsmetaphern, so bleibt doch festzustellen, daß er zu den ernsthaftesten und aufrichtigsten Bildnern dieser Stadt gehört. Davon zeugte bereits seine Installation während der Ausstellung 16.1.91 Kunst gegen den Golfkrieg im Kunstverein/Kunsthaus.

Bergmeier ist ein sinnen-leidenschaftlicher Zeitgenosse, der tatsächlich noch über das Glück der Anderen nachdenkt, und das narzißtische Künstlerselbstbild - eine Entlastungsstrategie der spätbürgerlichen Gesellschaft - Lügen straft: Wer das Kunstwerk nicht ehrt, ist des Pfennigs nicht wert.

Gunnar F. Gerlach

Ausstellung bis Ende September, Martin-Luther-Str. 21, Mi-Fr 12-18, Sa 12-14 Uhr Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in einer Auflage von 1OO Exemplaren als Multiple zum Preis von 1OO Mark

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