■ Ökolumne
: Der Kühlschrank als Auto Von Rüdiger Rosenthal

Mehr als vier Milliarden Tonnen Kohlendioxid blasen Autofahrer jährlich weltweit aus 555 Millionen Auspuffen in die Atmosphäre. Im Jahr 2000, also bald, sollen fast eine Milliarde Autos auf unserem Planeten zugelassen sein – allein im europäischen Binnenmarkt 100 Millionen Stück mehr als heute. Und die großen Konzerne rüsten zum Sturm auf Osteuropa, China und den Rest der Welt. Das Klima schlägt zurück mit Wirbelstürmen, Überschwemmungen, Dürren und Wetterkapriolen aller Art. Wenn das Klimaziel des Umweltgipfels von Rio erreicht werden soll, im Verkehrsbereich den Ausstoß an Treibhausgasen mindestens auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren, muß der Treibstoffverbrauch der Weltautoflotte mindestens halbiert werden. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Mit dem Spritverbrauch der heutigen Automodelle ist das niemals zu schaffen. Zum Beispiel die „modernen“ VW-Modelle fressen fast zehn Liter auf hundert Kilometer. Wenn Marktnischen für sparsamere Autos aufgetan werden, ist noch gar nichts erreicht. Ziel muß es sein, den Durchschnittsverbrauch der gesamten Fahrzeugpalette auf etwa zwei Liter zu drücken.

Eine Energieabgabe zum Zweck des Klimaschutzes ist nicht in Sicht. Bundesumweltminister Klaus Töpfer redet zwar von einer emissionsbezogenen Kfz-Steuer und Verkehrsminister Matthias Wissmann von einer Verteuerung des Autofahrens, aber mit dem eingenommenen Geld sollen der Staatshaushalt und die Bahn saniert werden. Weniger Autofahren liegt gar nicht in ihrem Interesse.

Zudem werden die großen ölverbrauchenden Nationen wie die USA und die GUS noch viele Jahre brauchen, um ihren sorglosen Umgang mit den fossilen Energien zu beenden. Nicht erwiesen ist, daß eine Verteuerung der Rohölpreise auch dazu führt, daß insgesamt weniger verbraucht wird. Trotzdem ist die Forderung nach Umweltabgaben auf die Nutzung von Energien nicht falsch. Ressourcenverbrauch muß seinen tatsächlichen Preis haben. Eine ökologische Steuerreform hilft, den Markt für Energiefresser zu sperren. Die Stabilisierung des Kohlendioxidausstoßes auf dem heutigen Niveau, wie in Rio gefordert, bleibt jedoch ein Wunschtraum, wenn die Autohersteller nicht schnell umdenken. In den Schubladen ihrer Ingenieurbüros verstauben entsprechende Konstruktionen. Das darf nicht so bleiben.

Wie in der Kühlschrankbranche muß deshalb auch die Autoindustrie auf ein anderes Gleis gesetzt werden. Anders als bei der Markteinführung des FCKW- freien Kühlschranks wird Greenpeace jedoch niemals für ein bestimmtes Fahrzeug die Reklametrommel rühren. Das war auch beim Kühlschrank nur ein notwendiges Mittel, um die Solidarisierung gegen die beabsichtigte Abwicklung des sächsischen Herstellers hinzukriegen. Auch wird weiter dafür zu streiten sein, daß der Autoverkehr vor allem in den Städten zurückgedrängt wird. Nur hat die Umwelt nichts davon, wenn die Industriebosse mit dem Rücken zur Wand verzweifelt für ihre veralteten Konzepte kämpfen und die dringend angesagte Umwandlung eines bedeutenden Wirtschaftszweiges verschlafen. Auch die Diadochenkämpfe der Automanager lenken nur von ihrem generellen Versagen ab. Das bringt neben verheerenden Folgen für die Umwelt auch noch erhebliche soziale und politische Gefahren mit sich. Deshalb will Greenpeace den Verstand der Autofahrer mobilisieren: gegen die fehlende Umweltpolitikfähigkeit der Konzerne. Wenn sich unsere Landsleute unbedingt ein individuelles Fahrzeug anschaffen wollen, dann sollen sie wenigstens die Chance bekommen, ein tatsächlich modernes Gefährt zu erwerben. Das kann ein Solarmobil sein, ein leichtes Hybridauto oder ein Sparcar, in dem der gesammelte ökologische Sachverstand der Ingenieure steckt. Die Hersteller behaupten, der Markt, das heißt der Konsument, wolle nichts anderes als die heutigen spritfressenden Monster haben. Wir glauben nicht, daß hinter den Lenkrädern nur tumbe Toren sitzen. Oder um Brecht abzuwandeln: Der schwächste Punkt an einem Auto ist sein Fahrer. Wenn wir den gewonnen haben, haben wir schon den halben Sieg über die Klimavergifter errungen.

Rüdiger Rosenthal ist Greenpeace-Sprecher in Hamburg