Die Sucht in Tüten

■ Das neue Ding: Trading Cards — jetzt auch bei Ihrem Bremer Dealer erhältlich

Im Comic-Cafe ist es proppenvoll, die Luft ist zum Schneiden. Mehr als zwei Dutzend Tauschwütige drängeln sich im Laden in der Neustadt, wie jeden ersten Donnerstag im Monat. Ihre Handelsware: keine Comix, sondern kleine, einzelne Bildchen — „Trading Cards“. Hinter dem Verkaufstresen steht der Initiator der ersten Bremer Tauschbörse für Trading Cards: Stefan Sielau, Inhaber des Comic Cafes. Natürlich verkaufe er die Tütchen mit den Trading Cards auch, sagt Sielau. Aber einmal im Monat wird eben proftilos getauscht. Da steht er nach Ladenschluß noch bis halb neun hinterm Tresen, vermittelt Tauschpartner und gibt mit seinen Raritäten an.

Erst in den letzten beiden Jahren kamen die aus den Kaugummi-und Zigaretten-Bildchen entstandenen „Trading Cards“ hier auf den Markt. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten steckt die deutsche Sammlerszene allerdings noch in den Kinderschuhen. In den USA ist das Sammeln der Pappkarten mit Fantasy-, Comic- oder Sportmotiven — gewissen Kultstatus haben die Baseball-Cards mit den Porträtfotos der Lierblinge und Stars der League erreicht — seit Jahrzehnten verbreitet. Und sorgen dort für Millionenumsätze. Anders in Deutschland: Vom Umsatz her, sagt Sielau, seien die Bildchen eigentlich bedeutungslos, nur eine nette Ergänzung zum Comic- Programm.

Auch Sielau selbst und sein Partner, ein bärtiger Mittdreißiger, sammeln und tauschen munter mit. Im Publikum fallen sie trotz reiferen Alters kaum auf: Dreikäsehochs und gestandene Anzugträger werden hier handelseinig. Ein schicker Teenager, Typ Nachwuchs-Yuppie, ist zu beschäftigt, um Fragen zu beantworten. „Das ist hier ein echt wichtiges Geschäft, Mann.“ Die übrigen sind weniger profitbewußt, aber mit mindestens genauso viel Eifer bei der Sache. Mit Zahlen übersäte Papierzettel — die Wunschlisten der Sammler — werden verglichen, fehlende Karten eins zu eins getauscht.

Martin, zwölf Jahre alt, begutachtet zufrieden seine Ausbeute. Zwei Finger breit ist der Stapel Karten in seiner Plastikkiste, „alle heute ertauscht.“ Jetzt fehlen ihm noch sechs Bildchen zur ersten vollen Serie. Rund 90 verschiedene Motive gilt es zu sammeln, bis eine Reihe komplett ist, dazu die seltenen Hologrammkarten und ähnliche Sperenzchen, die dafür sorgen, daß die Sammelwut nicht so schnell erlischt.

Die meisten Sammler sind Junkies — mit einer Serie ist die Sache längst nicht erledigt. „Ich hab schon über hundert Tüten gekauft und kann versichern, daß es nicht süchtig macht“, grinst Sielau. Auch die Trader können kaum erklären, warum Leute soviel Energie in das Sammeln von gänzlich zweckfreien Pappkarten stecken. Mit Briefmarkensammeln sei das nicht zu vergleichen, sagt Sven, die Serien könne man ohne weiteres vollbekommen, „und du kannst Motive sammeln, die du dir gerne ansiehst.“

Beim einen sind es Sportbilder, beim andern Fantasymotive. „Und es bestehen gute Chancen, daß einige davon mal was wert sind“, sagt Sven. Auch Sonja, 21, die einzige Frau, flitzt durch den Laden, tut Tauschpartner auf, während ihr Freund Karten sortiert. „Er sammelt wie verrückt,“ während sie selber für „so eine so einen Scheiß“ kein Geld ausgeben würde. Aber das Tauschen, das liebt sie. „Das ist eben eine Leidenschaft von mir. Wie für andere das Sammeln.“ Lars Reppesgaard