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Ein Volk von Super-Schnüfflern Von Ralf Sotscheck

In England geht die Angst um. Nach den Hooligans tritt jetzt eine neue Spezies auf: der Super-Vandale. „Er geht durch Stahltüren und Steinwände“, klagt Royston Potter, Kulturbeauftragter von Salford bei Manchester. „Nichts scheint sie aufzuhalten.“ Bisher mußte Potter sich in den gepflegten englischen Parkanlagen, die ihm unterstehen, lediglich mit Kleinigkeiten herumschlagen. „Eingetretene Zäune, umgegrabene Wiesen, zerstörte Parkbänke sowie rauchende und trinkende Jugendbanden“, hieß es vor ein paar Monaten in seinem Bericht – Kinderkram im Vergleich zu seinen neuen Beobachtungen: Die Super-Vandalen haben die Toilettenhäuschen vollständig abgerissen, Glasscherben mit Sekundenkleber auf Rutschbahnen geleimt und aus sämtlichen Parkbänken einen Scheiterhaufen errichtet und angezündet. Hinzu kommt, daß Potters Etat in den vergangenen drei Jahren um drei Millionen Pfund (ca. 7,5 Millionen Mark) gekürzt worden ist, so daß das Geld kaum noch für die Gärtner, geschweige denn für die Parkwächter reicht.

Doch die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher hat ihrem Volk nicht umsonst jahrelang die Notwendigkeit von Privatinitiative eingebleut. So verfiel Potter auf die Idee, die Bevölkerung Salfords als Super-Schnüffler für die Jagd auf die Super-Vandalen heranzuziehen. Er beantragte beim Stadtrat die bescheidene Summe von 500 Pfund, damit Freiwillige mit Einwegkameras ausgerüstet werden können. Die James Bonds im Taschenformat sollen fortan durch die Parks schleichen und alles Verdächtige fotografieren.

Bei Erfolg soll das Super-Schnüffelprogramm ausgeweitet werden. Man könnte zum Beispiel alle BürgerInnen verpflichten, ständig eine Einwegkamera bei sich zu tragen und mindestens zehn Fotos pro Woche abzuliefern. Das würde jedoch vermutlich dazu führen, daß sich die Schnüffler am Ende gegenseitig verdächtigen und fotografieren, während die Super-Vandalen ungestört ganze Parkanlagen in Mondlandschaften verwandeln. Vielleicht bleibt das Projekt auch bereits in der Anfangsphase stecken. Eine Frau aus Salford wandte nämlich zu Recht ein, daß sie keine Lust habe, sich von den Super-Vandalen vermöbeln zu lassen, wenn sie Fotos von ihnen in flagranti macht.

Möglicherweise gibt es zu den Super-Schnüfflern jedoch eine Alternative: Die Polizei in Essex will im nächsten Monat eine Broschüre mit Tips für eine „defensive Bepflanzung“ veröffentlichen. Darin rät sie den BritInnen, undurchdringliche Dornengewächswände um ihre Häuser anzulegen, um potentielle Einbrecher abzuschrecken. Doch Stechginster, Holunderbüsche und Brombeersträucher können nicht nur bei Privathäusern, sondern auch in öffentlichen Parkanlagen als pflanzliche Wachhunde eingesetzt werden, damit niemand die Gehwege verläßt. Es wäre auch zu überlegen, ob man nicht um die gesamten EG-Staaten eine Dornenhecke ziehen könnte, damit sich illegale Einwanderer bereits beim Grenzübertritt im Gestrüpp verheddern. Gleichzeitig müßten die Waffengesetze auf Heckenscheren und Unkrautvernichtungsmittel erweitert werden. Unerlaubter Besitz zöge zwei Jahre Knast im Rosengarten nach sich.

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