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Galaktische Elefanten

■ „American Circus“ gastiert auf der Bürgerweide

Der Mann auf dem Hochseil unter der Cirkus-Kuppel verliert das Gleichgewicht. Ein Raunen geht durch die etwa 4.000 Premieren-Zuschauer im American Circus. Eine Frau greift sich vor Schreck ans Herz. In scheinbar letzter Sekunde findet der Mann am Seil halt. Stürmischer Applaus. Der Seilartist wiederholt den Sprung und — hoppla — er gelingt, nun ist kein Halten mehr. Die zurückhaltenden Bremer flippen bei den Hochseilartisten Los Quiros völlig aus und trampeln vor Begeisterung auf dem Boden herum.

Woher der Circus seinen Namen hat, bleibt nicht lange im Verborgenen. Amerikanisches Marketing an allen Ecken der Arena: Popcorn, bunte Fähnchen, Zuckerwatte, Eis, kalte Getränke, neonleuchtende Bänder und Taschenlämpchen mit Glühfäden; all das wird sogar während der Vorstellung aus Bauchläden verkauft. Die Kids haben mit Eis und Leuchtbänder alle Hände voll zu tun. Die Tiger werden nur nebenbei abgefrühstückt.

Ganz nach der amerikanischen Lebensart der Superlative wird nicht nur in einer einzigen Manege getanzt und dressiert, sondern in drei nebeneinanderliegenden Kreisen. Hier wird streng nach der amerikanischen Unterhaltungs-Maxime gearbeitet: „It's showtime!“ Und das Publikum sitzt bei der Pferdedressur mit je 20 federbesetzten edlen Hengsten in jeder der drei Manegen wie beim Tennis: Kopf links, rechts, links.

Selbstverliebter Star des Abends ist Flavio Togni, der für seinen Auftritt gemeinsam mit 15 Elefanten im erleuchteten Geschirr, in einer futuristischen Show wie Captain Kirk aus Enterprise aussieht. Jumbo, Babati, Burma, Madras, Said und wie die Dickhäuter sonst noch so heißen brauchen täglich ihre 90 Kilo Heu, 30 Kilo Kleie und Quetschhafer und etwa 15 Kilo Obst und Gemüse, pro Rüssel.

Vor zehn Jahren guckte auch der Papst den Aerobic-gestählten Frauen Larissa, Betty und Claudia zu, die ihre Hula-Hopp- Reifen in Lichtgeschwindigkeit um ihre Körper wirbelten. Ebenso mögen dem Papst die Scherze der Clowns gefallen haben, oder die Schleuderbrettakrobatik mit dem doppelten Saltomortale.

Vor dem buntgeschmückten Eingang stand gestern ein kleines Grüppchen Tierschützer. Ihre Flugblätter „Zirkus = Tierfolter“ fanden trotz ihrer Kritik reißenden Absatz. Vermutlich hätten einige im Publikum es denn auch gerne gesehen, wenn die Tiger ihrem Herrn an die Glitzer-Wäsche gegangen wären. Doch sie führten sich eher wie schnurrende Kätzchen auf.

vivA

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