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Die PLO wirbt um ihr Abkommen

Elfte Runde der Nahost-Friedensverhandlungen in Washington / Unmut in der palästinensischen Delegation / Generalstreik in den besetzten Gebieten nur teilweise befolgt  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Bei der Eröffnungssitzung der elften Verhandlungsrunde in Washington verhielt sich die palästinensische Delegation einstweilen „wie gewöhnlich“ – also ohne zu dem Entwurf eines Abkommens zwischen der PLO und Israel Stellung zu nehmen. Nach Aussage von Mitgliedern der israelischen Delegation bringt die Zurückhaltung, welche die palästinensischen Verhandlungspartner zeigen, die Meinungsverschiedenheiten untereinander zum Ausdruck. Besonders deutlich wurde die Kritik angeblich in den Äußerungen des Delegationsleiters Haidar Abdel Schafi, der, wie israelische Begleiter aus Washington berichten, „scheinbar nicht ganz im Bilde ist und von den historischen Ereignissen unberührt zu sein scheint“.

Offenbar beklagen sich die palästinensischen Delegationsmitglieder auch darüber, daß die PLO mit Israel Abkommen ohne Rücksprache mit der Führung in den besetzten Gebieten trifft, die seit fast zwei Jahren mit Israel verhandelt. Die palästinensischen Delegierten haben den Entwurf des Oslo-Abkommens mit Israel am Dienstag zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, als die israelische Presse den Text (oder ihre Version davon) bereits veröffentlichte.

Intensive Verhandlungen über Anerkennung

Einstweilen besteht die israelische Delegation in Washington nicht auf sofortiger Unterschrift des Abkommens, sondern wartet auf die formelle gegenseitige Anerkennung der PLO und Israels, über deren Bedingungen in Oslo noch verhandelt wird. Angeblich fordert Israel dabei eine Revision der Charta der PLO, und zwar so, daß nicht nur Israel, sondern gleichzeitig auch der Zionismus durch die Palästinenser anerkannt wird.

In den besetzten Gebieten wird ebenfalls über den „Alleingang Arafats hinter dem Rücken des Volkes“ geklagt. In vielen Kreisen wird von einem „Ausverkauf“ gesprochen. Ein junger Anwalt aus Gaza meint: „Unabhängig davon, ob die Zwischenlösung funktioniert oder nicht, ist die Sache so aufgezogen, daß in jedem Fall Israel als Gewinner aus der Transaktion mit Arafat hervorgeht. Da Israel weiterhin für Sicherheit verantwortlich bleibt und auch auf allen anderen Gebieten nicht nur die volle Kontrolle, sondern auch das letzte, entscheidende Wort behält, ändert sich an dem wirklichen Kräfteverhältnis in den besetzten Gebieten sehr wenig.“ Die einzige Veränderung, so der Gesprächspartner weiter, bestehe darin, daß die Hauptströmung der PLO eine Rolle als „Junior-Partner“ der weiterhin dominierenden Macht spielen solle. Zu dieser Rolle gehöre vor allem, für die innere Ordnung zu sorgen und eventuellen Widerstand zu brechen. Sollte sich herausstellen, daß dies nicht den israelischen Vorstellungen entspricht, kann sich Israel erneut direkt militärisch engagieren.

Trotz derartiger Vorbehalte scheint die Reaktion in den besetzten Gebieten so einhellig nicht zu sein. So wurde ein Aufruf zum Generalstreik von zehn palästinensischen Organisationen, darunter auch die islamistische Hamas und die linken Parteien DPFL und PFLP, unterschiedlich befolgt. Während das öffentliche Leben im Gaza-Streifen weitgehend lahmgelegt war, wurde der Streik in Jericho so gut wie gar nicht beachtet. Dies sind die Gebiete, die dem Abkommen zufolge „autonom“ werden sollen.

Palästinenser debattieren über das Abkommen

In mehreren Universitäten in der Westbank finden jetzt Konferenzen statt, auf denen die Vertreter der palästinensischen Parteien und Gruppen für und gegen das PLO- Abkommen mit Israel auftreten. Fast alle kritisieren die fehlende Demokratie in der PLO-Führung und verlangen eine neue Struktur, die die Bevölkerung in die Entscheidungsprozesse mit einbezieht.

Demgegenüber begrüßte der arabische Knessetabgeordnete und stellvertretende Gesundheitsminister Nawaf Massalha (Arbeitspartei) das „Gaza-Jericho zuerst“-Abkommen als einen Schritt zur Autonomie, der den Weg zu einem Abkommen mit Syrien eröffne. Rabins Regierung verfüge eine Mehrheit in der Knesset, die es ihm ermögliche, den Friedensprozeß mit allen arabischen Nachbarn durchzusetzen, meinte Massalha.

Auch der gestrige Besuch des ägyptischen Außenministers Amru Mussa in Jerusalem war vor allem dem Versuch gewidmet, das gegenwärtige Moment in Bewegung zu halten und womöglich auf die arabischen Staaten auszudehnen, mit denen bisher noch keine Fortschritte erzielt wurden. Mussa betont die Notwendigkeit, einen umfassenden Frieden im Nahen Osten zu erzielen. In dem Abkommen zwischen Israel und der PLO sieht er daher nur einen – wenn auch wichtigen – Schritt in die erwünschte Richtung.

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