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Rechtsradikale machen den Bildschirm frei

■ Wahlsendung wg. DVU abgesetzt

Hamburg (taz) – Erstmals in der Geschichte der BRD hat eine öffentlich- rechtliche Rundfunkanstalt eine Wahlsendung abgesetzt, um den Auftritt eines rechtsextremen Politikers zu verhindern.

Der NDR verzichtete am Dienstag auf die Ausstrahlung von „Im Kreuzverhör – die Hamburger Spitzenkandidaten“. Zuvor hatte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht den NDR per Eilentscheid verpflichtet, den Spitzenkandidaten der Deutschen Volksunion für die Wahlen am Sonntag zu der Sendung zuzulassen. Die DVU ist im NDR-Sendegebiet in den Landesparlamenten von Kiel und Bremen vertreten. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, daß der NDR die vier Hamburger Rathaus-Parteien in der Vorwahlzeit bevorzugt habe.

Die Wahlsendung wurde allerdings erst abgesetzt, nachdem die anderen Parteien ihre Teilnahme abgesagt hatten. Der NDR begründete den Verzicht formal damit, daß die Sendung ohne die Vertreter von SPD, CDU, Grünen und FDP ihre Informationsaufgabe nicht mehr erfüllt hätte. NDR-Programmdirektor Jürgen Kellermeier wertete den Beschluß des Gerichts als „schwerwiegenden Eingriff in unsere redaktionelle Unabhängigkeit“ und kündigte gestern Verfassungsbeschwerde an.

Dieser Beschluß ist nicht der erste, der sich im Rahmen des Hamburger Bürgerschaftswahlkampfes mit den Ausgewogenheitspflichten öffentlich-rechtlicher Rundfunksender auseinandersetzt. So verpflichtete das Oberverwaltungsgericht den NDR bereits im August zur Ausstrahlung eines dritten Wahlwerbespots der DVU. Eine vom selben Gericht zunächst verfügte bessere zeitliche Plazierung der rechtsextremen Spots scheiterte an einer einstweiligen Anordnung des BVerfGs.

NDR-Intendant Plog, der den generellen Verzicht auf Parteienwerbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefordert hatte, erhielt gestern Unterstützung vom Bonner Verfassungsschutz. Dessen Präsident Wertebach vertrat gegenüber der Süddeutschen Zeitung die Ansicht, daß TV-Wahlwerbung den rechtsradikalen Parteien mehr als anderen nütze.

Den PolitikerInnen fehlt es noch an dieser Einsicht. Nach Edmund Stoiber, Heide Simonis und dem Hamburger Senat hat sich gestern auch der Versöhnungspräsidentschaftskandidat und SPD-Politiker Rau gegen einen Verzicht auf Wahlwerbung ausgesprochen. uex Siehe auch Seite 10

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