: Die „alltägliche“ Diskriminierung
■ ... ist für türkische Mädchen besonders problematisch / „Mädchentreff Ottensen“ bietet Rat und Beistand
Ängste bis hin zu psychosomatischen Störungen, aber auch wachsende alltägliche Diskriminierung - der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) nahm den heutigen Weltkindertag zum Anlaß, die Situation einer speziellen Gruppe von Kindern und Jugendlichen darzustellen: türkische Mädchen in Hamburg. 16.000 türkische Kinder unter 14 Jahren leben derzeit in der Hansestadt, die Hälfte davon Mädchen. Seit fünf Jahren unterhält der DKSB den „Mädchentreff Ottensen“, der mit minderjährigen Türkinnen arbeitet.
Auf einer Pressekonferenz wies der Vorsitzende des DKSB, Prof. Dr. Wulf Rauer, auf die „enormen“ Probleme gerade der türkischen Mädchen hin, die nicht nur mit Diskriminierung, Vorurteilen und Unverständnis von Seiten deutscher Jugendlicher zu kämpfen haben, sondern auch in den eigenen Familien um Akzeptanz ringen müssen.
Die türkische Sozialarbeiterin Ayse Cankaya betreut den „Mädchentreff“: „Die Mädchen brauchen diesen Treffpunkt, wo sie sich austauschen können und über ihre Probleme offen reden können“. Daß die Probleme nach Mölln und Solingen noch gravierender geworden sind, zeige sich jeden Tag. „Die Belastung der Mädchen ist sehr groß, immer gibt es die reale Überlegung 'Du könntest die nächste sein'“, erklärte Frau Cankaya. Diese Ängste treiben besonders die türkischen Mädchen aus dem deutschen Umfeld in die eigenen ethnischen Gruppen zurück, was zur Folge habe, daß ihnen mangelnder Intergrationswillen vorgeworfen werde.
DKSB-Vorsitzender Rauer macht für die wachsende alltägliche Diskriminierung nicht zuletzt die Ausländergesetzgebung verantwortlich. So dürfen in Deutschland geborene Kinder von Immigranten nur hier leben, wenn sie dafür eine Aufenthaltserlaubnis haben. Die bekommen sie aber nur, wenn sie ausreichenden Wohnraum, einen gesicherten Lebensunterhalt (ohne Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung) nachweisen können. „Für mich ist das eine gesetzliche Falle, aus der herauszukommen oft keine Chance besteht“, so Rauer.
Um diese „unsichere Lebenssituation“ zu entschärfen, fordert der DKSB, daß die Kinder und Jugendlichen auf allen gesellschaftlichen Ebenen gleichberechtigt werden (Deutsche Staatsbürgerschaft, Wahlrecht etc.). Nur so sei eine „längerfristige Lebensplanung“ für die Kinder und Jugendlichen möglich, für die die Bundesrepublik zur Heimat geworden ist.
Peter Behrendt
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