■ Kommentar
: Rote Karte

Sie wollten die Zeichen ja nicht erkennen. Als die HamburgerInnen den alten Parteien vor zwei Jahren mit der niedrigsten Wahlbeteiligung nach dem Krieg die gelbe Karte zeigten, nahmen SPD, CDU und FDP diese Warnung einfach nicht an. Geschlossen stiefelten sie in den Diätenskandal und legten mit diesem prägnantesten Merkmal einer völlig verkorksten Legislaturperiode das Fundament für das gestrige Wahlergebnis.

Die SPD wußte in den vergangenen zwei Jahren mit ihrer absoluten Mehrheit so gar nichts anzufangen, verzettelte sich im internen Kompetenzgerangel, stellte schließlich im Wahlkampf verblüfft fest, daß es „an der Basis brodelt“ - und war dennoch gestern nur die zweite Verliererin.

Den ersten Platz in der nach unten scheinbar offenen Skala der Parteienabstrafung sicherte sich locker die Hamburger CDU. Zu Recht, nicht nur weil das undemokratische Kandidatenaufstellungsverfahren der Union die Neuwahlen erst nötig gemacht hatte. Die CDU lieferte auch im parlamentarischen Alltag eine Null-Vorstellung, wurde auch auf diesem Gebiet den Ansprüchen der Verfassung an die größte Oppositionspartei nicht gerecht. Der mutlose Kandidat Fischer gab der Union den Rest. Nie gelang es ihm, sich und seiner Partei wenigstens einen Ansatz von Profil zu geben.

Was also blieb den WählerInnen anderes übrig als auszuweichen? Zu den Grünen, die sich in den vergangenen zwei Jahren als einzige ernstzunehmende Oppositionspartei etabliert hatte. Oder zu Wegners bürgerlicher Protestformation, wozu sich offensichtlich vor allem CDU-Sympathisanten entschlossen haben. Oder zu den rechtsextremistischen Parteien. Daß sie nicht im Parlament vertreten sind - bei rund acht Prozent für DVU und „Republikaner“ reine Glückssache. Bürgerschaftswahl 1993, das war die rote Karte für drei Parteien, auch wenn nur eine von ihnen vom Platz muß.

Das Wahlergebnis war unterm Strich auch nur um winzige Nuancen entfernt von jenem Ergebnis - SPD unter 40, Nazis im Parlament - bei dem Henning Voscherau zurücktreten wollte. Er tat es gestern nicht, kündigte statt dessen Gespräche mit allen Fraktionen an. Das mit der CDU kann er sich getrost schenken, die beiden Wahlverlierer als Neuanfang - Auweia. Bleiben also die Gespräche mit den Grünen und der „Statt-Partei“. Beide sollten in den nächsten Wochen darauf acht geben, daß die SPD sie nicht gegeneinander ausspielt und so als zweiter Verlierer noch zum Gewinner dieser Wahl wird.

Uli Exner