: Zwecks Flucht aus dem Fenster gefallen
■ In Spanien starben zwei Basken unter seltsamen Umständen in Polizeigewahrsam
Berlin (taz) – Zwei Todesfälle in spanischem Polizeigewahrsam in nur drei Tagen: Die Opfer – der 27jährige Xabier Galparsoro und die 31jährige Miren Gurutze Yanci Iguerategui – waren Ende vergangener Woche bei Polizeioperationen gegen die baskische Untergrundorganisation ETA festgenommen worden. Stunden später war die eine tot, der andere lag „unwiderruflich im Koma“ – so die polizeiliche Mitteilung. Am Sonntag erlag auch er seinen schweren Verletzungen. Im Baskenland fanden am Wochenende und gestern zahlreiche Protestaktionen – Demonstrationen und Streiks – statt. „Die Polizei mordet“ und „Sie reden von Frieden ... foltern und morden“, heißt es auf Plakaten, die an den Mauern der Großstadt Bilbao auftauchten. Spaniens Innenminister José Luis Corcuera hat eine rasche Untersuchung der Todesfälle zugesagt. Vor dem Parlament will er „alle Informationen“ offenlegen.
Die 31jährige Yanci war zusammen mit fünf anderen „mutmaßlichen ETA-UnterstützerInnen“ am Donnerstag in der nördlichen Provinz Guipúzcoa festgenommen und nach Madrid ins Hauptquartier der Guardia Civil transportiert worden. Dort wurde sie medizinisch untersucht und für unauffällig befunden. In der Nacht klagte sie über Schmerzen in der Brust. Nach der offiziellen Version starb sie auf dem Weg ins Krankenhaus an Herz-Atem-Versagen und Blutstau.
Der Ehemann, der bei derselben Operation festgenommen worden war und in der Nachbarzelle saß, berichtete später von zwei Attacken, die seine Frau in der Zelle erlitten habe.
Der 27jährige Galparsoro war in der Nacht zu Freitag als „mutmaßlicher Etarra“ in Bilbao festgenommen und zum Verhör ins Polizeipräsidium gebracht worden. Dort „fiel“ er noch in der Nacht aus einem Fenster im zweiten Stock des Gebäudes und zog sich tödliche Verletzungen zu. Über den Hergang der Ereignisse gibt es auf seiten der Polizei unterschiedliche Versionen. Während in einem ersten Kommuniqué verlautete, Galparsoro habe erst einen Polizisten umgerannt und sich dann auf die Straße gestürzt, hieß es später, Galparsoro sei allein in dem Raum gewesen, als er aus dem Fenster fiel. Schließlich vermutete die Polizei, der Mann, dem Kontakte zu einem aktiven ETA-Kommando nachgesagt werden, habe sich nicht umbringen, sondern über die Fassade des Gebäudes fliehen wollen.
Mitglieder der baskischen Jugendorganisation „Elkarri“ verlangten am Wochenende die „dringende Aufnahme von Verhandlungen zwischen ETA und Regierung, um der Konfrontation ein Ende zu bereiten“ – eine Forderung, die auch die ETA-nahe, im spanischen Parlament vertretene Partei „Herri Batasuna“ seit geraumer Zeit erhebt. „Elkarri“ verglich die gegenwärtige Situation mit dem Anfang der 80er Jahre: „Es gibt Entführungen, Gefangene, Attentate, Tote in Polizeihaft, Demonstrationen und Verhaftungen.“
Seit inzwischen über 80 Tagen befindet sich der entführte Ingenieur Julio Iglesias Zamora in der Gewalt der ETA. In dieser Zeit ist die bislang stärkste Bürgerbewegung gegen die ETA entstanden. Nach den Todesfällen befürchtet die spanische Tageszeitung El País nun, daß diese Bewegung in ihr Gegenteil umschlagen könnte. Das Ganze sei „ein Geschenk an die ETA“. Dorothea Hahn
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