piwik no script img

Färöer - wer?

■ Warum der Havnar Boltefelag in der Hauptrundedes UEFA-Pokal-Wettbewerbs steht und verlieren wird

Toftir (taz) – Es war einmal ein schottischer Tagelöhner, der in seiner Heimat keine Anstellung mehr fand. Also machte er sich auf den Weg, um ein besseres Leben zu suchen. Sein Schiff sollte ihn in die Südsee führen, doch als der Kahn das erste Mal anlegte, war es diesig, ja frisch – und kühl zudem. Rheumawetter, das konnte nicht das gelobte Land sein. Doch es gab Arbeit in der Fischfabrik. Einige Feierabende später, so geht die Legende, war ihm nach etwas Spaß: Mit einem Lumpenbündel, zusammengeknotet zu etwas, das als Ball gedacht war, der von keiner Bezirksliga der Welt jedoch heute noch als solcher akzeptiert würde, eröffnete der neue Inselbewohner neue Horizonte. So begann im Stadion der Hauptstadt Tórshavn die Geschichte des Fußballs auf den Färöern, der Inselgruppe kurz hinter Norwegen, auf dem Weg nach Labrador.

Es sollte ein knappes Jahrhundert dauern, ehe die Welt von der Existenz eines Kickerbetriebs auf dem allzeit nassen, wasserreichen Archipel erfuhr. Das war 1990. Gegeben wurde die Qualifikation zu jener Fußball-Europameisterschaft, die später die dänische Equipe als Sieger verlassen sollte. Die europäische Fußballunion erlaubte damals Kleinstverbänden wie San Marino und den Färöern die Teilnahme. Letztere hatten den Zürcher Verbandsleuten klarmachen können, daß sie außenpolitisch zwar zu Dänemark gehören, aber keineswegs kulturell.

Kanonenfutter, mögen sich die Österreicher damals gedacht haben, denn diese waren den Inselleuten zugelost worden. An genau dieser alpenländischen Arroganz scheiterte das austrische Team: Nicht nur, daß die Färöer Österreich mit einem Unentschieden und einem Sieg düpierten, nein, sie taten es zudem auf fremdem Acker.

Die UEFA hatte den Färöern untersagt, zu Hause zu spielen, denn alles gab es auf den achtzehn Inseln, Satelliten-TV und Mikrowelle, High-Tech-Fischfabriken und Automobile mit Kat – aber keinen Rasenplatz, sondern nur Plastikgrün. Und das war regelwidrig. Also wich man ins schwedische Landskrona aus: „Macht nix“, sagen heute Leute wie der Nationaltrainer Jógvan Nordbúd, „in Kopenhagen, was nicht weit von Landskrona entfernt liegt, wohnen zehntausend Färinger, viertausend sind gekommen.“

Das Ende vom Lied: ein 1:0- Sieg über Österreich. Und während sich die Alpenrepublik in tiefste Depression stürzte, fragte die Fußballwelt: Färöer – wer? Inzwischen weiß man auf der Insel, daß der damalige Sieg über die Österreicher (nebst einem Unentschieden gegen Nordirland) ein Zufallstreffer war: „Man kannte uns nicht – und hatte uns nicht ernst genommen“, wie heute John Eysturoy, heimlicher Chef des Havnar Bóltefelag von 1904, erkennt. Der Mann, der für den Jugendbereich des Vereins verantwortlich zeichnet und bei Bedarf auch Zeugwart oder Organisator von Europapokalspielen spielt, weiß: „Wir werden wohl nie den Anschluß an die europäische Spitze schaffen.“

Entscheidendes Hemmnis aller fußballerischen Entwicklung ist das stets allzeit bewölkte Klima: Deswegen gab es auch bis vor zwei Jahren keinen einzigen Rasenplatz. Zu feucht sind die Böden – und Drainagen können sich die Verbände nicht leisten, das Wort Amateur wird auf den Färöern noch mit Bedeutung gefüllt. Immerhin braucht die Nationalelf, die keine ist, nicht mehr ins Ausland auszuweichen, um internationalen Verpflichtungen nachzukommen: In Toftir hatten die Färöer zuletzt Kontakt mit der unauffälligen Fußballkunst Rumäniens: Vor drei Wochen unterlagen sie im WM-Qualifikationsspiel Rumänien 0:4.

Heute abend wird das Rückspiel gegen Craiova gegeben. „Wenn ich einen Wunsch habe“, so Trainer Jacobsen, „dann ist es der, daß wir ein Tor schießen.“ In der WM-Qualifikation hat es immerhin geklappt: Am 25. April schoß die Equipe in Zypern den Ehrentreffer zum 1:3. Verzichten wollen die färingischen Fußballfreunde auf internationale Einbindung keinesfalls – trotz der Reiseaufwendungen in Höhe von 50.000 Mark pro Spiel, trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit. Womöglich wäre das Geld besser angelegt, versorgte man damit die Arbeitslosen der Insel: die Fischindustrie liegt brach, ein Viertel der Erwerbstätigen haben nichts anderes zu tun, als die wenigen Touristen, die Schafe angucken kommen oder umherfahren und über soviel Grünes staunen. „Nein“, sagt ein Funktionär des Verbandes, „wir sind die Färöer, wir wollen der Welt zeigen, daß es uns gibt.“

Daß die Torshavner überhaupt in der Hauptrunde stehen, war eher einer bedauerlichen Panne zu verdanken. In der ersten Qualifikationsrunde versäumten es die Mannen aus Riga nur, pünktlich Visa zu beantragen: „Wir haben am Flughafen gewartet, Montag, Dienstag, Mittwoch. Als sie nicht kamen, wußten wir, daß wir weiter sind“, sagt John Eysturoy. Magni 'a Reynat'uguvu

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen