Stahlwerke als Dioxinschleudern enttarnt

■ Allein Hoesch pustet mehr Dioxin in die Luft als alle Müllverbrennungsanlagen

Bremen (taz) – Die größten Dioxin- Schleudern der Bundesrepublik sind nicht etwa Müllverbrennungsanlagen, sondern Stahlwerke. Allein aus dem Schornstein der Krupp/Hoesch-Sinteranlage in Dortmund kommt mehr Dioxin als aus allen Müllverbrennungen der Bundesrepublik zusammen, nämlich etwa 250 Gramm im Jahr. Bei Thyssen in Duisburg sind es jährlich 122 Gramm. Zum Vergleich: Als Grenzwert für eine Müllverbrennungsanlage hat die Bundes-Immissionsschutz- Verordnung 0,6 Gramm festgelegt. In Seveso waren insgesamt rund 2 Kilogramm Dioxin freigesetzt worden.

Diese Zahlen hat die Landesanstalt für Immissionsschutz in Essen im Auftrage der Landesregierung NRW ermittelt. Bisher hält das nordrhein-westfälische Umweltministerium die Werte allerdings unter Verschluß. Ein Wissenschaftler des Landesamtes berichtete ohne Angabe von Firmennamen über die Untersuchung auf einem Dioxin-Fachkongreß in Wien. Während die Meßergebnisse den Bremer Umweltstaatsrat Uwe Lahl, der als Dioxin-Fachmann selbst einen Vortrag in Wien hielt, „vom Hocker gerissen“ haben, wie er gesteht, gibt sich das Umweltministerium in Düsseldorf gelassen. Umweltminister Klaus Matthiesen (SPD) findet nur, die Ergebnisse zeigten „wie erwartet“ eine „erhöhte Dioxin-Konzentration“. Akuten Handlungsbedarf sieht er nicht: Die veröffentlichten Zahlen seien nur „erste Meßdaten“ und insofern „nicht aussagefähig“. Thyssen-Pressesprecher Blau findet die 122 Gramm Dioxin pro Jahr für sein Duisburger Stahlwerk sogar ein „tolles Ergebnis“ – verglichen mit der Dortmunder Konkurrenz. Die bezweifelt einfach die Meßergebnisse.

Ganz anders reagierte Bremens (grünes) Umweltressort. In den vergangenen Monaten schon hatte man die Klöckner- Hütte erfolgreich zum Einbau eines zusätzlichen Tuch-Filters gedrängt. Damit konnte die Emission an der Weser auf 8 Gramm im Jahr reduziert werden, teilte Staatsrat Lahl in Wien stolz mit. Hamburgs Umweltminister Fritz Vahrenholt sagte gegenüber der taz: „In Hamburg würde ich mir eine solche Emission nicht lange anschauen.“

Das Bundesumweltministerium hat bisher nur die kleinen Dioxin-Schleudern per Verordnung zu Filteranlagen gezwungen, den „großen“ aber völlige Freiheit gelassen. In Bremen, so Senator Ralf Fücks, sollen ab 1995 die MVA-Grenzwerte per Landesgesetz auch für das Stahlwerk gelten. „Klöckner demonstriert, daß es technologisch und ökonomisch keinen Grund gibt, diesen Grenzwert nicht für alle Sinteranlagen in Europa flächendeckend durch die EG festzuschreiben.“ Für die laufenden Stahlverhandlungen der EG liegt darin eine kleine Provokation: 20 der 40 europäischen Stahlwerke haben nicht einmal die Elektro-Filteranlagen, die in der BRD Standard sind. KW

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