: Duell der ungleichen Brüder
■ Ausgerechnet am Tag der deutschen Einheit findet in Hohenschönhausen das Eishokey-Derby zwischen dem EHC-Eisbären und dem BSC Preußen statt
Im Dezember 1990 gab es für die Berliner Eishockey-Vereine kein Halten mehr. Mit einer bis dahin nicht gekannten Härte schlugen Spieler und Zuschauer des Bundesliga-Derbys Dynamo – BSC Preußen aufeinander ein. Das Sportforum Hohenschönhausen, Heimstatt der Dynamos, glich einem Tollhaus.
Aus einem simplen Spiel um Bundesliga-Punkte war eine handgreifliche Auseinandersetzung zwischen Ost und West geworden. Alle Welt redete nur noch über die „Jagdszenen aus Ostberlin“. Der Preußen-Anhang war an der Rauferei nicht ganz unschuldig. „Stasi- Schweine“ hallte es den Dynamo- Fans permanent entgegen. Diese wiederum, von den ersten Ausläufern des „Abschwungs Ost“ ohnehin gebeutelt, ließen ihrem Frust freien Lauf.
„Wir haben bestimmt versucht, sie aufzupeitschen“, gesteht Preußen-Fan Ralf rückblickend, „daß sie nun so drauf anspringen, hätten wir nicht gedacht.“ Seitdem glimmt die Lunte zwischen beiden Clubs. Dabei hatte alles so harmonisch angefangen. Gleich nach der Maueröffnung pilgerten Preußen- Anhänger in hellen Scharen ins Sportforum, um die Dynamos im entscheidenden Duell gegen Weißwasser anzufeuern. Da war selbst der damalige Dynamo-Präsident Dieter Waschitowitz platt: „Wir hatten bis dahin gar nichts miteinander zu tun!“
Konkurrenz innerhalb der Stadtmauern
Als die Ostberliner Dynamos ebenso wie das sächsische Team aus Weißwasser noch vor der Wiedervereinigung ins bundesdeutsche Eishockey-Oberhaus aufgenommen wurden, war „Schluß mit lustig“. Der BSC Preußen, traditionell ohne Konkurrenz im norddeutschen Eishockey, hatte innerhalb der eigenen Stadtmauern urplötzlich einen starken Konkurrenten im Kampf um Zuschauergunst und Sponsorengelder erhalten.
BSC-Präsident Hermann Windler, in Angst um seine Vereinskasse, heizte die Stimmung auch nach dem unfriedlichen Weihnachtsfest 1990 zusätzlich noch an, als er vor einem weiteren Lokalkampf eigenhändig Gummibärchen an die Presse verteilte. Eine Ohrfeige für die Hohenschönhausener, deren Vereinswappen bekanntlich ein Eisbär ziert. Helmut Berg, der amtierende EHC-Chef, eilte daraufhin zum Fax-Gerät und schickte dem besten Preußen- Crack unverblümt ein hochdotiertes Vertragsangebot in die BSC- Geschäftsstelle. Alles nur zum Spaß.
Die Kindereien der Herren Windler und Berg, die wohl beweisen wollten, wer der „Präsi“ Nummer eins in Preußen sei, trugen nur unerheblich dazu bei, die Wogen zu glätten. Für viele Ossis stellt der EHC Eisbären (der Name „Dynamo“ wurde 1992 wegen allzu großer Reminiszenzen an DDR- Vergangenheit abgelegt) inzwischen eine letzte Trutzburg gegen den Westen dar. „Irgendwie muß man sich doch wehren“, spricht Sven für die meisten der zumeist sehr jungen EHC-Kids.
Um die Gegner zu veralbern, greift man schon mal auf DDR- Relikte zurück: „Die Wessis wollen es ja nicht anders!“, feixt Hendryk. So weht stets eine FDJ- Fahne über der Familie Eisbär, die in Liedern den FDGB-Pokal hochleben läßt. „Das ist absolute Selbstironie“, versichert Hendryk. „Die Leute, die sich darüber ärgern, begreifen das nicht.“ So wie zahlreiche Charlottenburger Stadiongänger.
Mit Randale, so versichert die Anhängerschaft in Hohenschönhausen, habe man nichts am Hut – schon aus Rücksicht auf den Verein, der aufgrund interner Querelen in den vergangenen Monaten öfter in die Negativschlagzeilen geriet, als ihm lieb sein kann. „Randale“, sagt Stefan, „die hat es gegeben. Diese Zeiten sind vorbei.“ Dafür wollen die Ostberliner Fans sogar selbst sorgen.
Das bestätigt auch BSC-Verehrer Olaf. „Eishockeyfans sind faire Fans, auch die Eisbären. Die feiern und trinken mit uns – aber wenn die Fußballfans vom FC Berlin dazukommen, dann gibt es meist Schlägereien.“ Es sei schon passiert, ergänzt „Preuße“ Ralf, daß BSC-Fans von EHC-Fans vor FC- Fans in EHC-Kluft geschützt werden mußten.
Berlin am Vorabend des Einheits-Feiertages. Jürgen Schulz
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