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Zwei Boxer mit Sonnenbrillen

WM-Kampf Frank Bruno gegen Lennox Lewis oder: Wie bei einer professionellen Keilerei die Gesetze der Fairness zum Tragen kommen  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Wenn berühmte Fußballer sich zur Ruhe setzen, veranstaltet man ein freundschaftliches Abschiedsspiel und schenkt ihnen die Einnahmen. Bei Boxern ist das anders: Sie müssen sich noch ein letztes Mal kräftig vermöbeln lassen, damit sie danach mit gefüllter Brieftasche in Rente gehen können. So war es auch bei Frank Bruno, dem 32jährigen Schwergewichtler, den die britische Öffentlichkeit zu ihrem Lieblingsboxer erkoren hat – behauptet jedenfalls die Presse.

Geschäftstüchtige Manager hatten Brunos Abschiedskampf, der aus Rücksicht auf die US-amerikanischen Fernsehzuschauer am Samstag in den frühen Morgenstunden stattfand, geschickt zum Weltmeisterschaftskampf hochgestapelt. Das stimmte nur theoretisch: Brunos Gegner Lennox Lewis ist zwar Weltmeister im Schwergewicht, aber nur einer von dreien. Es gibt nämlich vier verschiedene Boxverbände, und nur zwei konnten sich auf denselben Champion einigen. Lewis, der nur vom World Boxing Council anerkannt wird, hat den Titel geerbt, weil der andere Weltmeister, Riddick Bowe, bisher noch nicht gegen ihn angetreten ist.

Dennoch war Lewis klarer Favorit, Bruno wurde nicht mal der Hauch einer Chance eingeräumt. Noch nie sind bereits vor einem Boxkampf so viele Nachrufe geschrieben worden wie auf Bruno, der von den Journalisten stets wie ein Dorftrottel behandelt wird. Seine Karriere verdankt er seinen Managern, die es geschafft haben, ihrem eher durchschnittlichen Schützling den Ruf eines Preisboxers anzudichten. Die Statistik scheint ihnen recht zu geben: Von 39 Kämpfen hatte er bis Samstag 36 gewonnen. Böse Zungen behaupten jedoch, daß die meisten dieser 36 Opponenten aus der Geriatrie kamen. Nur dreimal hat Bruno es mit etwa Gleichstarken aufgenommen, und dreimal mußte er aus dem Ring getragen werden.

Tiefpunkt war 1986 der Kampf gegen den völlig übergewichtigen US-Amerikaner Tim Witherspoon, der keine Minute mit Training verschwendet hatte. Bruno verlor in der elften Runde gegen den dicken Witherspoon das Bewußtsein, vergaß jedoch umzufallen – eine fatale Eigenschaft für einen Boxer, die Bruno mit ständigen Netzhaut-Problemen bezahlen mußte. Freilich gab es einen empörten Aufschrei der Box-Gemeinde, als Lewis' Trainer Pepe Correa in der vergangenen Woche ankündigte, sein Schützling werde diese Probleme ausnutzen und immer auf die Augen zielen, so daß er danach eine Augenklappe tragen müsse. Das gefiel den Fans nicht, denn Fairness geht vor – auch bei einer professionellen Keilerei. Für die Gemeinheit wollte Bruno seinem Kontrahenten den Kopf abreißen. Ein großes Maul gehört seit jeher zum Profiboxen. Die Sprüche zahlten sich aus: 25.000 Zuschauer kamen zu früher Stunde in das National Stadium von Cardiff, wo sonst die Rugbyspieler über den Rasen hetzen. Es war das größte Boxereignis in der britischen Geschichte. Und das Beste daran: Bereits vor dem Kampf stand fest, daß ein Brite gewinnen würde, denn Lewis hat die britische Staatsbürgerschaft angenommen.

Lewis wurde nach eigenen Angaben vom frühen Beginn des Kampfes überrascht, obwohl das Spektakel planmäßig um ein Uhr morgens anfing. Jedenfalls griff Bruno wie eine Windmühle an, während Lewis trotz der Kälte noch döste.

Nach sechs Runden lag der Außenseiter klar in Führung, doch dann ging ihm wie einem Ballon die Luft aus. Nach einer Minute und zehn Sekunden in der siebten Runde hatte der Ringrichter ein Einsehen und schickte Bruno in die Ecke. Nach dem Kampf erschienen beide Boxer mit Sonnenbrillen zum Interview in der dunklen Halle, um die Veilchen zu verbergen. Brunos Frau Laura, die nach der Niederlage ihres Mannes von Lewis' Mutter getröstet werden mußte, trumpfte später bei der Pressekonferenz auf: „Wenigstens ist Frank ein echter Brite.“ Der war vermutlich jedoch weniger an seiner Staatsbürgerschaft als an dem Abschiedsscheck über eine Million Pfund interessiert. Riddick Bowe, der Gegen-Weltmeister, sagte am Samstag, nachdem er über Lewis' Sieg informiert worden war: „Wer hat wo gewonnen?“

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