■ Das Portrait: B'nai B'rith
In den Annalen jüdischer Immigranten in Amerika findet sich wieder und wieder der stolze Ausdruck „Forty- Eighters“, denn so nannten sich viele derjenigen, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts einreisten. Allzu genau hinsehen durfte man allerdings nicht: Viele, die sich da als Revolutionäre feierten, waren bayerische Viehzüchter oder Händler gewesen und kamen schlicht, um es einmal besser zu haben. Sie zogen, sobald es ging, in die Städte, um kleine Läden zu eröffnen. Zu ihrer Überraschung mußten sie feststellen, daß man ihnen im demokratischen Amerika den Zutritt zu Logen, Herrenclubs und Orden verwehrte; und so entstand, heute vor 150 Jahren, der unabhängige jüdische Orden B'nai B'rith. Er begann wie die anderen, mit Geheimcodes und abstrusen Ritualen; aber der entscheidende Unterschied war die Betonung des Humanistischen, des Universalismus der Juden, der der christlichen Exklusivität überlegen war. Bei dieser Strategie gegen den Antisemitismus ist es bis in die siebziger Jahre dieses Jahrhunderts geblieben.
Auch nach innen erfüllte B'nai B'rith eine wichtige Funktion: Weil die verschiedenen Immigrantengenerationen nicht über die Synagoge miteinander verbunden werden konnten – manche waren Reformjuden, andere Orthodoxe – verlegte man sich auf die Philanthropie, zahlte Witwen eine Unterstützung, half den Neuankömmlingen mit Sprachunterricht und tat insgesamt alles, um die Assimilation zu beschleunigen. Auch sonst ersetzte die Philanthropie den Zusammenhalt, den in der Alten Welt noch die Religion gestiftet hatte: Speziell den deutschen Immigranten waren, sobald sie es geschafft hatten, die aus Osteuropa nachrückenden Brüder und Schwestern suspekt: Würden die in ihren Kaftanen nicht ihren Ruf als gute Amerikaner ruinieren?
Mit der vollendeten Assimilation und dem Reichtum vieler Mitglieder änderte sich die Ausrichtung: Philanthropie richtet sich hauptsächlich nach Israel, auch wenn sie inzwischen dort nicht nur gern gesehen wird („Hey, wir sind nicht euer Kindergarten, wir sind ein Staat!“), in Amerika tritt B'nai B'rith heute hauptsächlich durch seine Anti- Defamation-League in Erscheinung. Durch Spionageskandale und die aggressiveren Strategien des Simon Wiesenthal Centers im Kampf gegen den Antisemitismus ist der Loge ein bißchen die Luft ausgegangen. Trotzdem: Mazel Tov! mn
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