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Eine unbequeme Pragmatikerin

■ Gesichter der Großstadt: Die Kreuzberger Baustadträtin Erika Romberg gilt als "linke Integrationsfigur" / Als Bausenatorin würde sie nach Hamburg zurückgehen

In den Augen ihrer Eltern hat Erika Romberg alles verkehrt gemacht. Als ihr Mofa kaputtging und die 14jährige einen Freund bitten mußte, das Fahrzeug zu reparieren, beschloß sie, daß so etwas nicht noch einmal vorkommen sollte. Nach dem Abitur studierte sie deshalb Maschinenbau. Die Eltern waren entsetzt. Als sie dann mit dem Ingenieursdiplom in der Tasche in Hamburg die Beamtenlaufbahn einschlug und drei Jahre später in die GAL eintrat, reagierten ihre Eltern erneut mit Mißbilligung. Erika Romberg traf das kaum. „Meine fünf Geschwister haben das wieder ausgeglichen“, sagt sie rückblickend und grinst.

Erika Romberg, die seit drei Jahren Kreuzberger Baustadträtin ist, hält auch Kritik an ihrer Person aus. Auch wenn es manchmal nicht ganz einfach ist, versucht sie doch, konsequent das zu tun, was sie für richtig hält. „Kritik kann ich gut vertragen“, behauptet die 36jährige, „nur absolut empfindlich bin ich, wenn ich hinters Licht geführt werde.“ Schon als junges Mädchen habe sie es gehaßt, wenn jemand mit falschen Karten spielte. „Einmal habe ich die Nonnen meiner Schule beim Äpfelklauen entdeckt, das hat mich sehr geärgert, denn uns Klosterschülerinnen war das absolut verboten.“

In der Hamburger GAL, für die sie zunächst Mitglied der Hamburger Bürgerschaft war und in deren Landesvorstand sie später die Karten mitmischte, sah sie sich als Vermittlerin zwischen den verschiedenen grüne Strömungen. Niemand sollte ausgegrenzt werden, erinnert sich Erika Romberg, die sich heute als „pragmatischen Fundi“ bezeichnet. Aber nicht nur eine „linke Intergrationsfigur“, als die einige ihrer Hamburger KollegInnen sie bezeichneten, ist sie. Die zierliche Frau bezeichnet sich selbst als „sehr handfest“ und beteuert: „Ich sitze nicht gerne rum und tue nichts.“ Lieber handelt sie – getreu ihrem Lieblingsspruch: „Nun tu mal Butter bei die Fische.“ Und wenn sie dann aktiv wird, handelt sie nicht aus dem Bauch heraus. Als die junge Frau in den 70er Jahren anfing, sich gegen Atomkraft zu engagieren, waren für sie die Fachbücher zunächst wichtiger als die Demonstrationen.

Nach sieben Jahren Verwaltung fand sie ihre Arbeit irgendwann „stinklangweilig“ („Ich war nicht mehr ausgelastet“) und war Ende 1990 um so mehr bereit, von Hamburg nach Kreuzberg umzuziehen. Daß sie es als grüne Baustadträtin in einem Bezirk, der über Nacht vom Nischenkind in den Mittelpunkt der Stadt gerückt war, nicht einfach haben würde, war ihr schon damals bewußt. Aber das störte sie nicht: „Ich hatte aus Hamburg genügend Erfahrung, denn die Innenstadt ist drei Jahre vorher dort ebenfalls umstrukturiert worden.“ Hoffnung setzt sie auf die „wachen Leute“ in Kreuzberg, mit denen sie die krassen Veränderungen – rasanter Mietenanstieg und die Vertreibung von Kleingewerbe – in ihren Auswirkungen „mildern“ möchte.

Erika Romberg, die seit einem Jahr auch stellvertretende Bürgermeisterin ist, versucht, engen Kontakt mit den KreuzbergerInnen zu halten. Und dabei macht sie keine Unterschiede: Sie diskutiert mit Autonomen („wenn etwas anliegt, kommen sie zu mir“) genauso wie mit Gewerbetreibenden. „Wichtig ist, daß die KreuzbergerInnen ihr Selbstbewußtsein behalten“, findet sie. Mit ihrer unkonventionellen Art, Politik zu machen, eckt sie oft an — auch bei SPD-Bürgermeister Peter Strieder. „Wir haben ein frotzliges Verhältnis zueinander“, beschreibt sie den Umgang mit Strieder. Trotzdem versucht sie immer wieder, ihre politischen Vorstellungen durchzudrücken – auch wenn sie damit manchmal gegen Betonwände rennt. „Ich finde, daß ich immer wieder mutig sein muß“, sagt sie etwas trotzig.

Trotz ihres schwierigen Jobs findet die Baustadträtin noch die Zeit, sich intensiv ihrem einjährigen Sohn Felix zu widmen. Nach dessen Geburt brachte sie ihn regelmäßig mit ins Büro – jetzt betreut ihn eine Tagesmutter. Um trotzdem genügend Zeit für das Kind zu haben, bleibt zwischen zwölf und zwei der Terminkalender leer – da schiebt die Baustadträtin den Kinderwagen mit Sohn Felix durch Kreuzberg. Mit Gewinn: „Dadurch kenne ich den Bezirk sehr gut.“ Deshalb würde Erika Romberg auch nur schweren Herzens zurück nach Hamburg gehen – dort ist sie als Senatorin im Gespräch für den Fall, daß eine rot-grüne Koalition zustande kommt, was sie selbst allerdings für sehr unwahrscheinlich hält. „Ich gehe aber nur, wenn ich das Bauressort übernehmen darf, sonst bleibe ich hier“, sagt sie entschlossen. Ob ihre Eltern sie als Hamburger Senatorin mehr akzeptieren würden? Erika Romberg lacht. „Bisher“, so sagt sie, „wissen sie noch nicht einmal, was eine Baustadträtin ist.“ Julia Naumann

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