UNO stürzt Bonn in Dilemma

■ Bundesregierung will große UNO-Organisation am Rhein / UNO schickt Winzling, Kinkel „prüft“ enttäuscht

Berlin (taz) – „Die UNO-Freiwilligenorganisation (UNV) wird 1995 von Genf nach Bonn umziehen.“ Dies erklärte der Generaldirektor des Europäischen UNO- Hauptquartiers, Petrovski, am Mittwoch abend gegenüber Journalisten. Doch statt in Bonn große Freude auszulösen, brachte der Stellvertreter von Generalsekretär Butros Ghali die Bundesregierung mit dieser Mitteilung in ein großes Dilemma. Wegen der bevorstehenden Verlegung von Ministerien und Parlament nach Berlin bemüht sich die Bundesregierung seit geraumer Zeit intensiv um die Ansiedlung großer und wichtiger UNO-Organisationen in der bisherigen Bundeshauptstadt. Konkret hat sie der UNO vorgeschlagen, ab 1997 das am New York Hudson River residierende UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP) mit über 2.000 MitarbeiterInnen an den Rhein zu verlegen. „Nur über meine Leiche“, kommentierte im Frühjahr dieses Jahres der (inzwischen ausgeschiedene) UNDP- Generaldirektor Draper das Bonner Begehren und beschrieb damit ziemlich exakt die Haltung der allermeisten UNDP-Beschäftigten. Eine formale Entscheidung wird von der Sitzung des UNDP-Exekutivrats im Juni nächsten Jahres in Genf erwartet. Die Bundesregierung befürchtet nun, daß die Ansiedlung der wenig bekannten UNO-Freiwilligenorganisation mit lediglich 116 MitarbeiterInnen in Bonn als „Kompensation“ für den Wunsch nach der UNDP gedacht ist. Darauf könne sich Deutschland „auf keinen Fall einlassen“, hieß es gestern sowohl in den zuständigen Bonner Ministerien als auch in Bonns Genfer UNO-Botschaft. Der Umzug der UNV von Genf nach Bonn könne allerhöchstens ein „Einstieg sein“. Ein Nein zum Umzug der UNV an den Rhein kann sich die Bundesregierung nicht leisten. Offiziell gab man sich gestern zunächst sehr überrascht über Petrovskis Genfer Mitteilung. Im September habe Butros Ghali der Bundesregierung schriftlich die Ansiedlung der UNV am Rhein „angeboten“. Außenminister Kinkel habe dem UNO-Generalsekretär eine „Prüfung“ dieses Angebots zugesagt, zugleich aber deutlich gemacht, daß der Bonner Wunsch, die UNDP nach Bonn zu holen, unabhängig von dieser Frage unter allen Umständen bestehenbleibe. azu