: Hits aus der Vorstadt
■ „Scouts of Evolution“ mit neuem Album
Seit Mitte der 80er Jahre gründen Musiker zwischen Iserbrook und Pinneberg die vielversprechendsten Hamburger Bands. Hier verabreden sich Pistengänger, um Beats und Metrik aus den Angeln zu heben. So auch der Rapper Boris Nicolai Neumann und der DJ Björn Mohr. Als The Scouts of Evolution folgen Mohr - sonst auch bei der Ska-Band The Monroes beschäftigt - und der vielreisende Neumann ihren eigenen akustischen Wünschelrouten. In einem Keller nahm das Duo vor gut einem Jahr die ersten Unbefangenheiten auf, schickte sie an das Monroes-Label Elbtonal und erhielt eine überschwengliche Antwort: Geschäftsführer Thomas Ritter war begeistert.
Mit Joazi Sorokowski vom White Noise-Studio erarbeitete Ritter in Rekordzeit das Debüt-Album The Structure Gotcha. Behende ziehen Mohr und Neumann hier ihre Stücke auf. Der jazzige Anklang und das soulige Versatzstück liegen dicht und logisch nebeneinander. Sorokowskis schichtungsfreudige Produktion verleiht jedem Stück eine milde, ausgefüllte Breite. Ihrer Kennerschaft und dem musikalischen Fingerspitzengefühl stehen die Texte gegenüber. Grundsätzlicher Ansatz: Die mittlerweile talk-show-verträgliche political correctness will Neumann nicht aussparen, aber auch niemandem „die Worte in den Mund legen.“ Der individuellen Verbrämung des p.c.-Begriffs begegnet Neumann für sich mit Reisen: „Ich war in Jamaica, Venezuela aber auch in Mexiko. Ich merkte dort: Wenn ich esse, muß ich mich viel mehr darum kümmern, was mit dem Abfall geschieht.“ Der Song „One step back is one step forward“ geht zurück auf eine Erfahrung mit einer verschollenen Art des Zusammenlebens: „Dort, wo ich gelebt habe, in den Dörfern, leben die Leute in Großfamilien zusammen.“
Fast alle Texte sind bemüht, dem Leben in Deutschland eher zu begegnen als es zu beschreiben. Die eigene Lebenssituation gibt nur dann einen Song her, wenn statt Vollständigkeit die Vertretbarkeit der Aussagen gewährleistet ist. Neumann formuliert deshalb pauschal, was er individuell einlöst und verurteilt pauschal, was individuell nicht nachprüfbar scheint. „Einen Song wie ,Wir wollen keine Bullenschweine' würde ich nicht singen.“ Nicht weil er die Polizei sehr mag. Neumanns Haltung spiegelt vielmehr den Glauben an den Abstand von Refrains und Wahrheit im Sinne des Diktums der Boogie down Productions wieder: „Every truth can be questioned.“
Richtig toll können die Scouts of Evolution werden, wenn sie das Individuum nicht mehr nur als moralisch unzuverlässig, sondern als informative Instanz betrachten.
Kristof Schreuf
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