: Aids-Rente nur für Todgeweihte
■ Transfusions-Opfer sollen 1.500 Mark erhalten, sofern sie nicht mehr länger als „durchschnittlich 18 Monate“ leben
Köln/Passau (dpa/taz) – „Zynisch“ und „lächerlich“ nannte die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) die von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) angestrebte Sofortrente für jene Aidskranken, die durch Blutkonserven infiziert wurden. Lächerlich sei die Höhe des Betrages von 1.500 Mark, zynisch die Voraussetzungen der Vergabe. Nicht etwa alle infizierten Opfer sollen entschädigt werden, sondern lediglich tatsächlich Erkrankte mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 18 Monaten.
Die Aids-Hilfe forderte sowohl für Erkrankte als auch für HIV-Infizierte Einmalzahlungen zur Absicherung der Familien. Diese sollten sich an den in Spanien und Frankreich bezahlten Sätzen von 350.000 bis 500.000 Mark ausrichten. Auf ihrem Kongreß in Köln warnten DAH-Sprecher vor einer Verelendung von Aidsinfizierten und -kranken. Die Kürzungen im Sozialbereich träfen sie besonders hart. Mehr als die Hälfte der Betroffenen lebe von Sozialhilfe. Schon jetzt bettelten viele bei Aids-Stiftungen um Nahrungsmittel, heißt es in einem Memorandum „Aids und soziale Not“.
In Deutschland gibt es 60.000 HIV-Infizierte und 10.000 Aidskranke, knapp 75 Prozent der Betroffenen sind erst zwischen 20 und 39 Jahre alt und verfügen kaum über Erspartes oder Rentenansprüche.
Seehofer hatte am Samstag beim gesundheitspolitischen Arbeitskreis der CSU in Passau angekündigt, daß die Zahlung von 1.500 Mark Monatsrente als Soforthilfe noch in diesem Jahr beginnen soll. Alle Bundesländer hätten ihre Bereitschaft signalisiert, sich an den Kosten für einen Zehn-Millionen Mark-Fonds zu beteiligen. Enttäuscht wurde Seehofer von den Versicherungswirtschaft, die sich weigern, ihrerseits zwei bis drei Millionen Mark beizusteuern. Nach Ansicht der Aids-Hilfe sollten sich auch Pharmaindustrie, Krankenkassen und Blutspendedienste beteiligen. „Denn sie sind für diesen Skandal gemeinsam verantwortlich.“
Seehofer lehnte erneut Zwangstest und Meldepflicht für Aidspatienten ab. Die Praxis der anonymen Meldungen durch Labors und der freiwilligen Information durch Ärzte werde beibehalten. Über eine Ausweitung der Meldepflicht bei der Arzneimittelherstellung müsse aber nachgedacht werden.
Unterdessen hat das Bayerische Rote Kreuz (BRK) den Import von HIV-infiziertem Spenderblut aus der Ex-DDR zugegeben. BRK-Sprecher Franz Saller sagte der Bild am Sonntag, zwischen 1985 und 1986 seien 34.000 Blutspende-Einheiten ungetestet aus der DDR eingeführt worden. Die DDR habe keine Testmöglichkeiten gehabt. „Wir haben die Tests selbst durchgeführt und dabei zwei aidsverseuchte Blutkonserven entdeckt und vernichtet“, sagte Saller.
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