Lokalkoloratur

Taxifahrer, Barkeeper und Knackies kennen ihn schon, jetzt will er alle kirchenfremden Menschen erreichen und ihnen einen vom Glauben erzählen: Hinrich C.(hristian) G.(erfried) Westphal (49), erst Gemeinde-, dann Gefängnis-, und seit 18 Jahren Pressepastor des evangelischen Teils von Hamburg, hat einen Katechismus geschrieben. Nicht so einen verknöcherten römischen wie der Papst, sondern locker-hanseatisch wie ein protestantischer Zeitgeist. Am heutigen Reformationstags-Vorabend will Westphal sein 36seitiges Werk beim Mahl seiner Bischöfin und überhaupt allen überreichen. Dieses geschichtsträchtige Datum wundert wenig, denn im Jahre 476 nach Luther schauen die meisten Prediger dem Volk immer noch nicht aufs Maul. Stattdessen schweben sie auf theologischen Wolken, predigen über die Köpfe ihrer Gemeinden hinweg. Ab jetzt gibt's keine Entschuldigung mehr: Wie Luther dereinst die Bibel ins Deutsche übersetzte, will sein Eppendorfer Nachfahre Theologenkauderwelsch ins Verständliche dolmetschen. Damit auch der letzte alternative Kirchenhasser erkennt: Gott gibt's nämlich doch. „Ich bin nicht wert, seine Schnürsenkel zu lösen“, so Westphal im vertraulichen taz-Gespräch über sein Verhältnis zum Reformator. Wir meinen: Wer seinen Katechismus „Auf Gottes Spuren“ nennt, will sowieso eher Gott als Luther an den Schuhbändern nesteln. ub